Allgemeine „Hintergrund-Anmerkungen“ zu den Dudelsackpfeifen
aus meiner Werkstatt
(Dieser Text, welcher im wesentlichen Ende
2008 /Anfang 2009 formuliert wurde, entstand im Zusammenhang mit einem Vorhaben
welches damals zusammen mit meinem Freund Heino Hermühlen als längerfristiges
Projekt in seiner Schäferei Hullerbusch angestrebt und auch in ersten
Schritten bereits angegangen worden war. Im Sinne eines dementsprechend
besseren Verständnisses dieses Textes, möchte ich nun - nach dem plötzlichen
tragischen Tod von Heino - jedem Interessenten empfehlen dazu vielleicht
zunächst die entsprechende Fußnote Nr. 28 zur Kenntnis zu nehmen.)
Im Zusammenhang mit meinen Aktivitäten zu meiner
Musikinstrumentensammlung und bestimmten, damit zusammenhängenden Vorstellungen
zur Musikinstrumentenkunde sowie zur Herstellung einfacher Musikinstrumentenmodelle
(01) konnte ich mich auch immer wieder mit verschiedenen an mich herangetragenen
„Dudelsack-Reparaturproblemen“ befassen und hatte dann bereits Anfang der
siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts damit begonnen, auch selbst verschiedene
einfache Schalmeien und später auch „Doppelschalmeien“ mit ’zweistimmigem Dudelsacksound’
in der Art von Dudelsack-Melodiepfeifen, wie ich sie von meinen alljährlichen
Fahrradtouren durch Osteuropa, bei slowakischen Dudelsäcken kennen gelernt
hatte, herzustellen. Alles jeweils Instrumente mit zylindrischen Bohrungen oder
eben auch aus einfachen Schilfhalmen. Also zylindrische Schalmeien mit einfachen,
oberständig schwingenden Zungen als Tongenerator.
Solche mundbeblasenen Instrumente konnten dann, bereits lange vor der
Entstehung der „neueren Folklorebewegung“ in der DDR bei der politisch besonders
engagierten Folkloregruppe „Jack & Genossen“(02) sowie zuweilen auch beim
Festival des Politischen Liedes in Berlin oder beim Fernsehen der DDR usw. eine
besondere Rolle spielen.
So wurde ein solches (damals auch gerne als „Dudel ohne Sack“
bezeichnetes) Instrument von mir auch verschiedentlich zu Studioaufnahmen im
Rundfunk oder auch zu bestimmten Hörspielproduktionen verwendet, wenn es galt „Dudelsackklänge“
aufzunehmen.
Später habe ich derartigen Instrumenten auch ab und zu entsprechende ’Säcke
mit Ventil-Mundrohr’ angefügt, was dann auch zu bestimmten, einfachen Dudelsäcken
führte. Im Wesentlichen immer Instrumente osteuropäischer Art mit dem „so genannten
’einfachen’ Rohrblatt“ als Tongenerator. (03)
Dabei waren mir die Melodiepfeifen an solchen Säcken immer das
Wichtigste, so dass ich auch damals schon oftmals gerne auf zusätzliche Bordunpfeifen
völlig verzichtete.(04)
Im Weiteren entwickelten sich meine „Selbstbau-Aktivitäten“ zu
Dudelsäcken dann allerdings auch bis hin zum sehr komplexen „Deutschen Bock“, den
ich dann jedoch auch in durchaus untraditioneller Weise, also mit einem
speziell weiterentwickelten, nicht mehr anzuschnallenden, gefederten Blasebalg(05),
sowie einmal auch mit einer Ganzmetall-Melodiepfeife herstellte, welche,
abgesehen von einem Stückchen Kuhhorn am Schallbecher und der oberständig
schwingenden Zunge des Tongenerators, völlig aus Metall (Kupfer und Messing
etc.) bestand und außerdem mit mehreren tonumfangerweiternden Klappen sowie speziellen
Stimm-Regulierungsschrauben an allen ihren Tonlöchern ausgerüstet war.(06)
Meinen ersten Dudelsack mit einer konischen Melodiepfeife und entsprechendem
Doppelrohrblatt, der auch als das erste rekonstruierte Instrument dieser (also
quasi westeuropäischer)(07) Art in der
DDR gelten kann, entstand dann Ende der siebziger Jahre, teils in meiner Berliner
„Instrumentenausstellungs-Wohnung“ im Prenzlauer Berg (Hans-Otto-Str.7) und
teils - letztlich dort aber vorwiegend - in meiner bereits damals entstehenden „vergleichsanalytisch-organologischen
Forschungs-Werkstatt“(08) in der Uckermark (Kienwerder Nr. 4).
Die konische Bohrung der Melodiepfeife dieses Dudelsacks konnte damals von
mir allerdings nur mittels eines sehr speziellen professionellen
Oboenwerkzeuges (also einer besonderen konischen Reibahle) realisiert werden.
Als ursprünglich gelernter „Metaller“, - also Werkzeugmacher und Maschinenschlosser,
der bereits vor seinem Philosophiestudium eingehendere praktische
Berufserfahrungen als Industriefacharbeiter sammeln konnte, bereiteten mir derartige
technische Bastlerarbeiten zwar keine besonderen Schwierigkeiten, aber zur
Herstellung einer solchen, exakten konischen Bohrung für diese Spielpfeife war
ich zunächst doch auf die gründlichere Vermittlung bestimmter Kenntnisse von entsprechenden
Holz-Instrumentenbauern sowie deren besonderen „Holzbearbeitungstricks“, und dann
eben auch auf entsprechende Spezialwerkzeuge aus dieser Branche, angewiesen. Von
der Oboen-Firma-Mönnig in Markneukirchen konnte ich derartige „historische“
(damals also schon lange nicht mehr in der laufenden Produktion verwendete)
Werkzeuge aus Familienbesitz erwerben und von dort auch eine Vielzahl konkreter
Herstellungs-Hinweise erhalten.
Allerdings entsprachen diese eben doch eher ’oboenspezifischen
Reibahlen’ später nicht mehr dem, was ich für meine Instrumente akustisch
anstrebte bzw. damals für erforderlich hielt.
Die erste konische Reibahle zur speziellen Herstellung entsprechend dudelsackadäquaterer
Schalmeien, welche anfangs auch innerhalb der in den nächsten Jahren in der DDR
entstehenden Dudelsackbauerszene eine wichtige Rolle spielte, wurde schließlich,
entsprechend meiner drängenden Bitte und in Verbindung mit bestimmten, von mir
für besonders wichtig gehaltenen Maßhaltigkeitswünschen, von Klaus Stecker hergestellt,(09)
welcher damals in der Werkstatt des Physikalischen Institutes der Humboldt-Universität
über vorzügliche Metallbearbeitungsmaschinen verfügen konnte.(10)
Als die eigentliche ’historisch-authentische Dudelsack-Originalvorlage’
für diese konische Reibahle diente uns damals vor allem die Melodiepfeife eines
französischen Dudelsackes aus meiner Musikinstrumentensammlung, den ich schon
lange zuvor (allerdings in bereits schwer lädiertem Zustand) erworben hatte.
Für die speziellen Maßvorstellungen dieser „Klaus-Stecker-Reibahle“ spielten
damals aber auch noch andere konische (letztlich jedoch eher mundbeblasene und
nicht ’dudelsackbetriebene’) altdeutsche Schalmeien-Exemplare aus meiner
Instrumentensammlung eine Rolle, - Instrumente, mit denen ich bereits seit
Längerem auch in verschiedenen Gruppen musikantische Spieler-Erfahrungen gesammelt
hatte.
Die Cabrette aus meiner Sammlung war damals jedoch das einzige
Dudelsack-Original-Instrument mit konischer Melodiepfeife, welches uns in der
DDR zur Verfügung stand. Erst später gelangten auch andere Dudelsäcke mit
konischer Melodiepfeife in die DDR, - so z.B. belgische Dudelsäcke aus
Westdeutschland und dann auch zwei original schottische Instrumente, die Jack
Mitchell aus seiner Heimat in die DDR mitbrachte. Doch zuvor hatte ich bereits mit
Hilfe dieser ersten in der DDR speziell für Dudelsackpfeifen konzipierten
konischen Reibahle von Klaus Stecker einige entsprechende Dudelsackpfeifen (etwa
ein halbes Dutzend – für die sich dann auch damals schon zuweilen bestimmte, dem
Mittelalter nachstrebende „Quasi-Esoteriker“ heftig interessierten) hergestellt.(11)
Dieses, mit größtem dilettantischen Bemühen angefertigte Werkzeug war zwar
genügend präzise, um mit großem Kraftaufwand und heftigsten, lang andauernden
Anstrengungen letztlich doch eine exakte konische Bohrung zu verwirklichen, - aber
hinsichtlich seiner spanabhebenden Effektivität handelte es sich doch um ein
reines Unding. Eine letztlich völlig unpraktikable Reibahle, ohne wirklich
effektive Schneidkanten; - ein eher ’langwierig, schwerfällig reibendes’ als
wirklich wirksam scharf schneidendes Werkzeug.
Ausgehend von bestimmten, für mich besonders einleuchtenden Hinweisen aus
der internationalen Fach-Literatur zur tatsächlichen Geschichte der Herstellung
solcher konischen Dudelsackmelodiepfeifen, experimentierte ich dann auch eine Weile
lang erfolgreich mit konisch geformten Bajonetten, die man manchmal auf Flohmärkten
heimlich erwerben konnte. Derartige Stichwaffen mussten lediglich in einer
besonderen Weise scharf nachgeschliffen werden (was ohne weiteres per Hand geschehen
konnte), um dann auch sofort sehr effektiv als entsprechend konische Reibahle genutzt
werden zu können.
Mir stand damals allerdings nur ein kurzes Bajonett in konischer
Bauart, aus dem zweiten Weltkrieg und ein viel längeres aus dem ersten Weltkrieg
(oder noch weitaus älter?) zur Verfügung.(12) Mit beiden Werkzeugen konnte
ich dann auch genügend präzise und akustisch effektive, konische Bohrungen
erzeugen, - allerdings nur in den von mir eigentlich gerade nicht angestrebten Extrembereichen
möglicher konischer Dudelsack-Melodiepfeifen: Denn das kürzere Bajonett eignete
sich vorzüglich zu Herstellung extrem offener konischer Bohrungen - also für
sehr lautstarke Spielpfeifen wie etwa beim schottischen Dudelsack - während das
andere, viel längere Bajonett mit seinem sehr schlanken Konus sich eher für die
Herstellung von viel längeren Melodiepfeifen mit weitaus schlankerem Konus (eben
etwa in der Art der irischen Union-Pipe) eignete.
Mittels eines speziell zurechtgemachten, aber ansonsten in den üblichen
Maßen belassenen Oboen-Doppelrohrblattes(13) konnte ich an einer solchen konischen
Bohrung, in ihrer ganzen Bajonettlänge, dann durchaus auch ein tiefes D, wie
bei der irischen Dudelsack-Melodiepfeife, oder auch das noch tiefere C usw. einer
Oboe erreichen.
Mir kam es aber, ebenso wie in Bezug auf andere deutsche Volksmusikinstrumente
(wie etwa Waldzither oder Maultrommel etc.) für die ich mich ansonsten stets besonders
interessierte und engagierte, eher auf bestimmte musikantische Aspekte im Sinne
der Musizierpraxis der neueren Folklore Gruppen mit denen ich engeren Kontakt
hatte, an.
So hatte ich bei Dudelsäcken und Schalmeien eher praktische, kleinere handliche
Instrumente, mit entsprechend aktuell-praktikablen Tonartmöglichkeiten im Sinn und
fühlte mich nicht verpflichtet, nun etwa „historisch-authentische“ oder gar
„original mittelalterliche“ Dudelsack-Rekonstruktionen anzustreben.
Und insofern klingen hier, gerade in Hinsicht auf Dudelsäcke, bei all solchen
dann letztlich, unvermeidlicherweise anfallenden und im Weiteren auch stets vernetzt
mitschwingenden Stich- und Schlagwörtern wie: „traditionell folkloristisch“, „historisch
authentisch“, „original mittelalterlich“ oder eben auch „schottisch“, „irisch“
oder auch „einfaches und doppeltes Rohrblatt“, oder aber auch „ost- oder westeuropäisch“
sowie „slawisch“ und „deutsch“, „national-traditionell bewahrend“ oder
„traditionsverletzend-exotisch“ usw. bereits eine ganze Reihe all der mit
Gewissheit auch politisch zu kalkulierenden und insofern dann auch entsprechend
zu manipulierenden typischen Vorurteile, spezifische Kulturdiskriminierungen
und auch ganz bestimmte Mythenbeanspruchungen sowie mit entsprechend gezielten
Legendenbildungen und entsprechendem Legendenmissbrauch verbundenen Probleme
mit an, die dann im Weiteren dieser Entwicklung in der DDR, sowie insbesondere
innerhalb der sonstigen, sich später dann letztlich so verheerend auswirkenden musikfolkloreorientierten
Kulturbetriebspositionierungen und anderen damit verbundenen Macht- und Funktionsbestrebungen
dieser Zeit, sowohl zu bestimmten mythenverstärkenden Profilbildungen und speziellen
„DDR-Folklore-Legenden“, als auch zu bestimmten, damit verbundenen Machtpositionierungen
und entsprechenden Intrigen innerhalb des Kulturbetriebes der DDR geführt haben,
- bis hin zu damit eben auch deutlich verbundenen Intrigenvernetzungen und
Korruptionskonstellationen innerhalb bestimmter Wissenschaftsbereiche.
Polit- und Wissenschafts-Macht-Intrigen, die dann letztlich auch von unverhüllt
nationalistisch-rassistischen Initiativen sowie ungebremst faschistoidem
Machtgebaren, bestimmter, signifikant profilierter und den staatlichen
Kultur-Leit-Institutionen unmittelbar nahe stehenden (oder auch von diesen eher
„fern-gelenkten“?) Musikfolklore-Funktionsträgern begleitet waren.
So jedenfalls meine aus langjähriger persönlicher Erfahrung mit einer
Vielzahl von anderen sonstigen, letztlich aber doch auch allzu ähnlichen
(zuweilen eben auch mich unmittelbar leidvoll betreffenden) besonderen
Auswüchsen innerhalb der politischen und kulturellen Entwicklungen in der DDR
resultierende Sicht auf derartige Vorgänge.
Turbulente Vorgänge innerhalb durchaus turbulenter sozialer Bewegungen,
die im Zusammenhang mit bestimmten in der DDR dazu dann oft auch jeweils heftig
und hektisch veranstalteten Polit-Kampagnen, oftmals zwangsläufig zu
schwerwiegenden zusätzlichen Fehl- und Rückentwicklungen von zuvor eher von
vielen Menschen progressiv und hoffnungsvoll getragenen Bestrebungen geführt
haben.
Dabei waren diese sich erst relativ spät entwickelnden
neomusikfolkloristischen Kulturerscheinungen in der DDR, welche schließlich nur
noch für deren letztes Jahrzehnt relevant werden konnten, allerdings wiederum
von ganz besonderer Art.
Insbesondere im Zusammenhang mit dem fortschreitenden Zerfall und dem
letztlichen Zusammenbruch entsprechender damaliger DDR-Kulturinstitutionen offenbarten
sich dann auch dort in zunehmendem Maße, und wohl auch in ganz besonderer Weise
bestimmte unsägliche Verhaltensweisen bei zunächst vielleicht nur einigen einzelnen,
eher spontan-faschistoid bzw. vielleicht auch nur „gemäßigt
rassistisch-nationalistisch“ agierenden Musikfolklore-Verantwortlichen, was
zunächst auch nicht als besonders auffällig, sondern mancherorts als eher
„normal“ anmuten musste.
Im Weiteren konnten derartige Verhaltensweisen von Einzelnen dann aber
auch zu wohlorganisierten Formen von entsprechend abwiegelnd-leugnend-schützend-abschirmend-verschleiernden
bzw. letztlich dann doch auch wieder unterstützend-ergänzenden Verfahrensweisen
von bestimmten Gremien gesteigert werden, deren entsprechende Orientierungen
dann letztlich auch in der Form von fein abgestimmten „höchstamtlichen“
Anweisungen und entsprechenden, zuweilen eher ’internen’, oft aber auch
unverhüllt offen gestalteten Richtlinien zur Wirkung kommen konnten, so dass dabei
dann auch die verschiedensten jeweils institutionsgestützt vernetzten, musikfolkloristischen
Funktionsinhaber in entsprechender, aber eben auch besonders effektiver Weise, gefolgschaftstreu-erfolgreich
zusammenwirken konnten.
Innerhalb derartig institutionsintern vernetzt wirkender Aktivitäten
konnte einem so zuweilen auch ein geradezu kunstvoll-teuflischer Übergang vom amts-offiziellen
Abwiegeln zu bestimmten beunruhigenden Vorkommnissen, zum dann vielleicht
zunächst nur inoffiziellen Aufwiegeln gegen alle die, welche sich dazu vielleicht
doch nicht beruhigen mochten, bis hin zur dann wiederum amtlich-offiziellen
Stimmungsmache gegen genau diese, als die doch nunmehr „offensichtlichen eigentlichen
Unruhestifter“, welche dann letztlich auch nach allen Regeln dieser Kunst ganz
offiziell gemaßregelt und weiterführend verleumdet werden konnten.(14)
In dieser, dann letztlich dumpfen Befindlichkeits-Gemengelage hat von
Anfang an auch eine ganz spezielle, insbesondere vom Leipziger Folkländerumkreis
her stets intensiv gepflegte und später auch geradezu als Kult
weiterentwickelte Vorstellung von einer in besonderer Weise verschworenen
„DDR-Folkgemeinschaft“ bzw. auch der in dieser Szene immer wieder gehegte
Gedanke einer auserwählt kameradschaftlich eng verbundenen, und auch immer
wieder in dieser Begriffsform beschworenen „Folk Familie“ eine ausgeprägte, und
letztlich auch fatale Rolle gespielt. Eine besondere Form von
selbstgewiss-abschirmender Gemeinschafts-Ideologie, welche innerhalb dieser ohnehin
von distanzierenden Sondergemeinschaftsgedanken und bestimmten gemeinschaftlich
verpflichtenden Gefolgschaftstreue-Vorstellungen beherrschten – oder zumindest
entsprechend stark durchmischten – Gefühlslagen bestimmter Teile der neueren DDR
Folklorebewegung freilich auch stets mit ’unausgesprochen klaren’, zuweilen
aber doch auch dezidiert akzentuierten Vorstellungen darüber ausgestattet war,
welche Personen und Folklore-Gruppen nun eben auch nicht zu dieser besonderen
„Folk Family“ zu gehören haben.(15) Die später dann zuweilen aus Richtung
Leipzig oder Rudolstadt zu vernehmenden Fehldarstellungen und spezifischen
Verlogenheiten zur Geschichte der neueren Musikfolklorebewegung in der DDR,
sind wohl auch im Zusammenhang damit zu sehen. Offensichtlich aus der Ideologie
eines derartigen, bereits in der DDR entstandenen ’Familiengedankens’ heraus
manipulierte Produkte zu Ruhm und Ehre dieser ’Familie’. Und dass eine in
dieser Weise „ehrenwerte Familie“ freilich auch kritisch in Bezug auf dann wohl
auch unvermeidlich damit verbundener „mafiotischer“ Aspekte zu bedenken ist,
möchte ich hier nicht nur in allegorischer Weise anmerken.
In all diesen Zusammenhängen ist letztlich eben doch auch
ausgesprochen symptomatisch, dass gerade ganz bestimmte damalige
Dudelsackaktivitäten, deren spezifischer Charakter zweifellos nur im
Zusammenhang mit der Geschichte dieser neueren Folklorebewegung und eben auch
der Geschichte der DDR betrachtet und verstanden werden kann, und – wie ich
meine – wiederum auch unverzichtbar für ein entsprechend wahrheitsgemäßes
Verständnis beider sind, in solchen Darstellungen oft unter den Tisch fallen.
Deren Nichtbeachtung bzw. Unterschlagung, macht natürlich das Lügen
über die DDR leichter, - aber deren Beachtung kann wiederum die Schwierigkeiten
auf den Wegen zur Wahrheit deutlicher werden lassen. Und diese Schwierigkeiten
können uns noch deutlicher werden, wenn dann unvermeidlicherweise auch das
spezifische Zustandekommen von vorhergehenden Lügennetzwerken in der DDR, im
Sinne der Wahrheit über die DDR entsprechend beachtet werden muss. Dabei geht
es eben nicht einfach um mehr oder weniger quantitativ zu beurteilende
„Ausgewogenheiten“, sondern auch um das jeweils qualitativ zu bewertende
Lügenpotenzial unterschiedlicher Haltungen und die grundsätzliche
Lügenaffinität die aus bestimmten Verhaltensweisen zwangsläufig resultiert.
In besonderer Weise aufschlussreich können dabei dann auch die
Verhaltensweisen derer sein, die sich bereits in der Vergangenheit in einer bestimmten
Weise ambivalent und verlogen verhalten haben, so dass sich nunmehr, ob nun mit
oder ohne deren direkter gegenwärtiger Mitwirkung, auch die Verfänglichkeit
heutiger Lügennetzwerke über Vergangenes, umso effektiver gestalten lassen
wird.
Vielleicht sollte ich mich hier aber - um mit meinen Formulierungen
nicht allzu sehr in eine vielleicht nur von mir benutzte und insofern sicher
auch leicht als verleumderisch zu verleumdende Sprache zu verfallen - doch
lieber auch den diesbezüglich damals üblichen Sprachgepflogenheiten aus dem
amtsüblich offiziellen Umkreis der „Zentralen Arbeitsgemeinschaft für
Musikfolklore der DDR“ und speziell des „Leipziger Zentralhauses für
Kulturarbeit der DDR“ bzw. des dort stets untrennbar eng angebundenen Leipziger
Folkländer Umkreises beugen und eine entsprechend quasi ’offiziell übliche’,
auch seitens bestimmter, damals in dieser Szene als musikethnologische
Wissenschafts-Autoritäten agierender ZAG-Mitglieder, demonstrativ bevorzugt
gebrauchte Sprache verwenden, entsprechend der es eben einfach zur
Herausbildung von bestimmten „’Führerpersönlichkeiten’ der
DDR-Folklorebewegung“ gekommen ist…. „Führerpersönlichkeiten“, die ganz
offensichtlich sowohl von bestimmten Staats- und Partei-Institutionen, als auch
von bestimmten, eben eher mit akademischem Gestus agierenden Vertretern
akademischer Wissenschaftsgewissheiten protegiert wurden und denen dann auch
wiederum vielerseits nach dem Munde geredet wurde.
Einige von diesen waren dann auch ganz unverhohlen und gezielt darauf aus,
die ursprünglich vorwiegend von ehrlichen Dudelsackenthusiasten getragenen
neuartigen Initiativen und entsprechend entstandenen ganz neuartigen Strukturen
innerhalb der DDR-Kultur und des staatlichen Kulturverwaltungsapparates, jetzt
im Sinne ihrer speziellen Machtbestrebungen nun quasi „gleichschaltend“ zu
übernehmen und machtpositioniert zu verwalten.(16)
Anfänglich aber - so jedenfalls meine bis heute dazu vorwiegend bestehende
Erinnerung an die ersten Kontakte mit den verschiedenartigsten Dudelsackenthusiasten
in der DDR und dann an die damals noch ganz privat und anfangs auch weitgehend alleine,
nur von mir persönlich, selbst organisierten Treffen der damaligen
DDR-Dudelsackinteressenten (bereits anfänglich mehr als 30 Teilnehmer aus dem
ganzen Lande zum ersten, sozusagen „nichtstaatlichen DDR-Dudelsack-Interessenten-Treffen“)(17)
dominierte noch eindeutig die auf überaus freundlich-freundschaftlicher
Basis beruhende kollegial-kameradschaftliche gegenseitige Hilfe vieler, sehr
unterschiedlicher Freunde des Dudelsackspiels, die zunächst noch kaum von diesen,
sich erst später so unverhüllt und brutal abzeichnenden Konkurrenz- und Macht-Ambitionen
bestimmter, dann durch die von offiziellen Staatsinstitutionen bzw. auch
Wissenschaftsinstitutionen und der entsprechenden Kultur-Leiteinrichtungen in
der „Hauptstadt der Folklorebewegung“ (d.h. in der Folkländer-Hochburg Leipzig)
hochgejubelten, „Vorbild-Folkloristen“ und „Vorbild-Folk-Gruppen“ infiziert
waren.(18)
Was nun mich und mein spezielles Interesse an diesen mir damals so
wichtigen besonderen konischen Werkzeugen betraf, so war ich (nach meinen Versuchen
mit Bajonetten, die in ihren oberen dünnen Spitzenbereichen ohnehin zuwenig präzise
waren) doch eher an entsprechend kürzeren und dann auch jeweils bis auf
mindestens 4mm Werkzeugkonus-Durchmesser präzise auslaufenden konischen Spielpfeifen
in den Tonartdimensionen G/C oder auch (dann aber keinesfalls in so brutal-aggressiv-offener
Weise wie beim schottischen Dudelsack) in den Tonarten Bb/Eb interessiert.(19)
Ich bat also auch alle dafür in Frage kommenden Spezialisten innerhalb dieses
allmählich immer größer werdenden Kreises von Dudelsack-Interessenten (unter
denen sich natürlich auch einige „abgefeimte Metaller“ befanden) darum, entsprechend
effektive Werkzeuge in den von mir favorisierten Dimensionen herzustellen.
Schließlich waren diese mit Werkzeugen an Maschinen tätigen Dreher und
Werkzeugmacher quasi „Blaukittel-Kollegen“ von mir, welche allerdings nun meinerseits,
als einem inzwischen an Schreibtischen mit „akademischen Abstraktionen“
beschäftigten „Weißkittel“, nur noch darum beneidet und bewundert werden konnten,
in welch (wie einst ich selbst) unmittelbar konkreter Weise diese doch ihrerseits
an den verschiedensten Werkbänken wirken und werkeln konnten… Meiner Bitte
wurde dann auch von verschiedenen, eben auch breiter interessierten Spezialisten
aus diesem Kreis und dessen Umfeld sowie meinem sonstigen Bekanntenkreise entsprochen,
und ich habe alle diese damals so entstandenen Dudelsack-Werkzeuge dann auch selbst
erprobt und jeweils wieder innerhalb der Szene interessierter
Dudelsackselbsthersteller (damals bereits 15-20 entsprechende „Dudelsack-Selbstbau-Enthusiasten“
in der DDR) herumgereicht bzw. entsprechend verborgt oder auch weg- und
weitergegeben.
Unter den etwa ein Dutzend zählenden dudelsackbauinteressierten
Herstellern solcher Werkzeug-Spezialitäten erwiesen sich dann für mich letztlich
die konischen Reibahlen (und auch andere Werkzeuge) von Jörg Zapfe(20) aus Arnstadt als die besten. Einige der von ihm
damals hergestellten Werkzeuge nutze ich noch heute für die Herstellung meiner
Schalmeien. Dabei kristallisierte sich neben den vielen anderen
Instrumentenbasteleien von mir sowie der auch immer wieder erforderlich
werdenden Herstellung von bestimmten vergleichsanalytisch- organologischen
Experimentalmodellen(21), die ich insbesondere
für bestimmte vergleichsanalytische Forschungsprojekte und dann auch immer
wieder für meine entsprechenden Musikinstrumenten-Vorlesungsreihen bei der
Berliner Urania, der Kulturakademie Berlin usw. und später an der Humboldt
Universität zu Berlin zur „Systematik und Physik der Musikinstrumente“
benötigte(22), im Laufe der Jahre bei mir ein bestimmtes
„Herstellungsprogramm“ von verschiedenen windkapselbeblasenen Schalmeien in den
unterschiedlichsten Macharten und Größenordnungen heraus, welche alle, jeweils
zusammen mit ihren speziellen Windkapseln, auch als Melodiepfeifen mit
jeweiligem „Windkapsel-Anblasrohr“ für entsprechend konzipierte Dudelsackinstrumente(23)
genutzt werden können.
Hier muss aber auch der prinzipielle Unterschied zwischen den mir damals
so wichtig gewordenen konischen Schalmeien und den später für mich wieder
wichtiger werdenden zylindrischen Schalmeien (welche inzwischen, nachdem ich
mich dann intensiver mit dem deutschen Hümmelchen beschäftigt hatte, von mir ebenfalls
mit „so genanntem Doppelrohrblatt“, und nicht, wie meine ersten Schalmeien, mit
„einfacher oberständig schwingender ’klarinettenanaloger’ Zunge“ zum Klingen gebracht
wurden) betont werden.
Was allerdings diese „so genannten Doppelrohrblätter“ betrifft, so möchte
ich derartige Tongeneratoren, aus der Motivation einer doch endlich – hier wenigsten
in erster Näherung - wissenschaftlich solide zu begründenden Musikinstrumenten-Systematik
heraus, doch lieber exakter als ’Halbmembran-Tongeneratoren’ mit entsprechend
gedoppelten Halbmembranen bezeichnen, und(24) dazu an dieser Stelle sogleich
eine weitere „systematikbezügliche“ Anmerkung machen:
Bei solchen mit Windkapsel angeblasenen geraden zylindrischen
Melodiepfeifen mit einem derartigen Tongenerator (Instrumente die in Deutschland
fataler Weise mit dem dafür eindeutig verfehlten Namen „Cornamusa“ oder auch
„Cornamuse“ belegt werden)(25) handelt es sich, eigentlich doch jeweils um so
etwas wie ein „nicht gekrümmtes Krummhorn“.
Jedenfalls ist das akustisch-physikalische Prinzip der Klangerzeugung bei
diesen das gleiche wie beim Krummhorn.
Es gibt aber auch wichtige Unterschiede zwischen diesen beiden Instrumenten:
Sie unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der „ungebeugt belassenen Förmlichkeit“
(die sich im Sinne der erforderlichen Präzision zur ihrer Herstellung sowie hinsichtlich
der von mir stets angestrebten sowie künftig hoffentlich generell zu erwartenden
Weiterentwicklung solcher gerader Instrumente schließlich zweifellos als ein
Vorteil erweist), sondern auch hinsichtlich der von daher gegebenen Möglichkeit
eines kleineren Durchmessers ihrer insofern allerdings auch durchaus
schwieriger zu realisierenden genauen akustischen Bohrungen.
Ich denke eben, dass für derartige ungekrümmte Instrumente dann auch
insgesamt viel feinere, aber auch freiere Gesamt-Konzepte zur weiteren
musikinstrumentellen Entwicklung und Nutzung dieses zweifellos besonderen organologischen
Prinzips entwickelt werden können.
Denn bei den gewöhnlichen (aber gewöhnlich auch überaus teuren und
wegen ihrer als obligatorisch angesehenen Krümmung auch aufwändiger und
umständlicher herzustellenden) Krummhörnern sind diese Bohrungen in der Regel
doch deutlich größer und gröber, und dann insgesamt eben auch weniger präzise. Mit
entsprechend ungekrümmten und so letztlich auch „feineren, geraden
Krummhörnern“ kann man sich dann auch eher an das Abenteuer des möglichen Überblasens
in die höhere Duodezime heranwagen, was ansonsten von Krummhornspielern von
vornherein nicht erwogen oder gar gewagt wird; - mich persönlich aber schon von
Anbeginn meiner Beschäftigung mit solchen akustisch wirksamen zylindrischen
Bohrungen, stets fasziniert hatte.(26)
Außerdem möchte ich für diese, nun auch insgesamt (einschließlich ihrer
Grifflochbohrungen) penibler konzipierten, geraden Instrumente auch das
intensive Ausprobieren aller Besonderheiten und Mühsalen der gerade innerhalb
von Renaissance-Musik eigentlich so bemerkenswerten „gedeckten Spielweise“, nahe
legen.
Auf diese Problematik bin ich auch in meinem Buch (siehe dazu wiederum Fußnote
Nr. 26) über deutsche Dudelsäcke, insbesondere am Beispiel einer entsprechenden
Hümmelchen-Melodiepfeife (mit verschiedentlichem Verweis auf die in Böhmen noch
heute hochlebendige, gleiche Spielweise für den dortigen Bock) detaillierter
eingegangen.
Diese traditionell original-authentische Spielweise ist nicht nur bis
heute für bestimmte Dudelsackspieler in Ost- und Westeuropa absolut obligatorisch,
sondern war eben auch in der Renaissance bekannt, und gerade dieses „gerade
Krummhorn“ sollte - so denke ich - eben auch mittels dieser keineswegs
einfachen und insofern auch erst mit besonderem Übungs-Aufwand zu kultivierenden
Spieltechnik in spielerischer Weise ernst genommen und vielseitig ausprobiert werden;
- auch wenn dies die „mit gebeugten Instrumenten“ hantierenden Musiker ansonsten
gerade nicht tun. Diese verlassen sich, wenn es um die Ideologie und das meist
elitäre Wertebewusstsein ihrer „Renaissance- Musikauffassung“ und die Frage
nach „musikalischer oder musikinstrumenteller historischer Authentizität“ etc.
geht, viel eher auf die Tatsache, dass die „original gekrümmten“ Krummhörner
sowohl in ihrer revitalisierten Gegenwärtigkeit, als auch innerhalb ihrer kunstgeschichtlich-höfisch
festgehaltenen Vergangenheiten, offensichtlich ziemlich reichlich wahrzunehmen sind,
wohingegen deren oft wohl eher plebejischen, aber eben noch ungebeugten
„ungekrümmten Brüder“ dort so gut wie gar nicht vorkommen, - ja zuweilen (zumal
wenn wir hier auch an die ansonsten doch recht eindeutige
Instrumentenbezeichnung „Dolzaina“ denken) kaum als nachweisbar erscheinen.
Und sie können sich dabei dann auch – einfach auf Grund der in den
Musikwissenschaften eigentlich so überdeutlich sichtbaren methodologischen
Schwächen, wenn es um ganz normales systematisch- vergleichsanalytisches
Betrachten und Bedenken solcher technischer Geräte nach ganz normalen
technischen Gesichtspunkten, geht - auf eine dort entsprechend eingeengt-ikonografisch
fest eingeübte Vorurteils-Optik und den in dieser Weise offensichtlich üblichen
einseitigen und eben auch von Insuffizienz geprägten Statements seitens „offizieller
Musikwissenschaften“ verlassen und dabei auch stets in ihrer Position bestätigt
und völlig abgesichert fühlen.
Hingegen gehe ich als Wissenschaftler, aus kritisch vergleichsanalytisch-organologischer
Sicht, lieber davon aus, dass es diesen ’ungebeugten Bruder’ des Krummhorns
mit hoher Gewissheit häufig gegeben haben muss, und dass es sich bei diesem
auch mit Sicherheit um den Älteren dieser beiden Geschwister handelt.
Und dann auch davon, dass er in der sozialen Wirklichkeit eines nun
schon lange vergangenen Musikantentums wohl zunächst auch vergleichsweise mehrheitlich
gegenüber seinem jüngeren Bruder vertreten war. Wobei es dann diesem, mit mehr
förmlicher Eleganz ausgestatteten jüngeren, wohl mittels seiner zweifellos
bemerkenswert ungewöhnlichen, und sowohl höchst geheimnisvoll, als auch einigermaßen
„künstlerisch-kunstvoll“ anmutenden, gekrümmt-geziert zelebrierten
Bücklingshaltung, offenbar einfach besser gelungen ist, auf die höheren
sozialen Ebenen aristokratisch-höfischen Lebens, und so auch immer wieder in
die unmittelbare Nähe entsprechend reflektierend festhaltender, künstlerisch
und kunsthistorisch wirksam werdender Aktivitäten und Aufmerksamkeiten, zu gelangen.
Dass dann die unter solch erklärbaren Voraussetzungen zwangsläufig
entstehenden Wahrheitswidrigkeiten von bestimmten Aussagen hinsichtlich sozial
gehandikapter Instrumente (oder im Weiteren dann auch entsprechender
Personenkreise sowie dementsprechender Musikauffassungen und Wissenschaftskonzeptionen)
auch stets ein völlig falsches Bild vom Verhältnis dieser beiden, sozial so
unterschiedlich platzierten Brüder hervorbringen mussten, lässt sich als
Zwangsläufigkeit des Entstehens von Wahrheitswidrigkeit aus vergangenen
Verhältnissen sozialer Verungleichungen (welche ihrem Grundgehalt nach ohnehin auch
stets auf bestimmte Erkenntnisverhinderung und den organisatorisch vielfach abgesicherten
Kult der Bedeutungssicherung von ganz bestimmten, offiziell festgeklopften Wahrheitswidrigkeiten
aus sein müssen) ebenso als simple Alltäglichkeit vermuten und verstehen, wie auch
gegenwärtig allentags Gleiches an unwahren „Allgemeingewissheiten“ aus
ebensolchen sozialen Ungleichheitsverhältnissen wie damals und ehemals, immer
wieder erneut und in derartiger Weise „stets erneuert“, zustande gebracht und mit
abgesicherter „Gewissheit“ auf sicheren Wegen (einschließlich bestimmter Erscheinungsformen
von entsprechend pervertiert korrumpierter Wissenschaftsbetrieblichkeit) tradiert
werden wird. Und ebenso können auch bestimmte, oben letztlich nur kurz geschilderte,
aber in der Realität doch allzu deutlich nationalistisch gefärbte und dabei in hohem
Maße lügen- und intrigen-durchdrungene Besonderheiten der von bestimmten
„Führerpersönlichkeiten der DDR-Folklorebewegung“ mitgeformten Entwicklungen für
das Zustandekommen von bestimmten Zerrbildern über bestimmte DDR-Vergangenheiten
mit bedacht werden.
Verzerrende Darstellungen, welche im Laufe von sich wohl unweigerlich immer
wieder wendender Geschichte sicherlich ohnehin immer wieder entstehen werden und
so freilich auch dazu tendieren werden, vor allem bestimmte bedeutungsvolle Grundsätzlichkeiten
unnahbar mit verschleiernden Heiligenschleiern oder eben auch umfassenden Nebelschleiern
zu umgeben.
Um aber auf den dabei immer wieder neu entstehenden „Jahrmärkten neu
ermöglichter Eitelkeiten“ mit solchen Bildern auch jeweils genügend publikumswirksam
antreten zu können, müssen diese auch im vorgegebenen Sinne genügend interessant
und vielseitig ansprechend ausgestaltet sein und werden insofern auch unweigerlich
mit einem ganzen Wust weiterer, vielleicht weniger grundsätzlicher, aber
entsprechend ergänzender Wahrheitswidrigkeiten bestückt und ausgeschmückt
daherkommen müssen. Dass die in dieser Weise überaus frei hantierenden Gestalter
entsprechender Darstellungen dabei aber auch immer wieder solche Unwahrheiten ins
Bild einbauen werden, die selbst bei aufwändigsten Uminterpretationen eben doch
einfach nur Unwahrheiten und keine „Ansichtsangelegenheiten“ bleiben werden,
ist dann wohl auch eine unvermeidliche Tendenz. Ich denke, dass dies zumal da
unvermeidlicher Weise anzutreffen sein wird, wo es letztlich nur noch um die Fortsetzung
des Showbusiness mit quasi-folkloristischen und - dann notwendigerweise eben
auch - pseudofolkloristischen Mitteln, geht. Insofern finden sich dementsprechend
gestaltete „Nebel-Bilder“ nun auch im Zusammenhang mit bestimmten „Tanz- und
Folkfestival- Statements“ Rudolstädtischer Art, wo uns dazu, gerade auch bezüglich
der Problematik von bestimmten Dudelsackinitiativen innerhalb der
DDR-Neofolklorebewegung, überaus aufschlussreiche Beispiele sowie besonders
deutliche Belege von Verlogenheit und Falschdarstellung begegnen können.
So könnte man, insofern man kritischen Geistes zu sein gewillt ist, als
ein spezielles Beispiel dazu, sofort das dort stattgehabte Festival des Jahres
2006 zum Thema Dudelsack sowie die dann dort in Schrift und Bild permanent deutlich
werdende Kulturlosigkeit beim Umgang mit diesem Thema kritisch nachfragend
bedenken.
Eine speziell „pseudofolkloristisch locker“ aufgemachte
Kulturlosigkeit, die sich sowohl in einer Vielzahl von haarsträubend
unfachlichen Aussagen und entsprechend sachlich verfehlten Anmerkungen zum
Instrument, als auch – und da noch vehementer - in politisch geradezu perfekt
gestalteter (bzw. wendegemäß ’politisch korrekter’) Weise, in Form von ebenso
haarsträubend unsachlichen, aber eben auch geschickt andienerisch-lügendurchwobenen
Darstellungen und Statements zur Dudelsackentwicklung in der DDR-Vergangenheit
und in der Gegenwart, zeigt. Und wer als damit kontaminierter Folklorefreund in
der Lage ist, das hier umrissene Problem (möglichst nicht nur angesichts dieses
besonderen Beispiels!) auch zu verstehen und gar noch gebührend ernst zu nehmen
(was freilich bereits zu erheblichem Unwohlsein und – je nach dem ob und wie
entsprechend unausweichliche Verstrickungen und Involviertheiten in der Nähe
eines solchen, keineswegs leicht trocken zulegenden Sumpfes, auch bislang noch Wenigbetroffene
ideologisch und/oder organisatorisch jeweils zu verhakeln und zu verbandeln
vermögen - letztlich auch zu handfesten Unannehmlichkeiten, nicht mehr
beherrschbaren Gewissenskonflikten oder auch leichthin unbeherrscht-gedankenlosem
Aufgeben von vielleicht noch vorhandenen Gewissensresten überhaupt im
wirklichen Lebensalltag führen kann), der sollte – ob nun in Richtung auf Gewinn
von weiteren Sinn- und Verstehensmöglichkeiten, oder doch lieber im Sinne des einfacheren
und müheloseren Erhalts (oder aber auch weiteren Gewinns?) weiterer eigener
Möglichkeiten von bestimmten, möglichst unbeschadet unbehelligt zu bewahrender „Lebensqualitäten“
– auch das grundsätzliche Eingebundensein solcher musikinstrumenteller
Problemstellungen in das Spannungsfeld politisch-sozialökomisch determinierter Verhältnisse
und der daraus wiederum resultierenden Unterschiedlichkeiten entsprechender
Betrachtungsweisen bedenken. Da wäre dann auch zu entscheiden ob nun (so wie
ich dies hier am Beispiel der Dolzaina doch bislang getan habe) das Wesen einer
auch politisch zu bedenkenden Musikinstrumentenentwicklung eher in Form einer leichthin
und letztlich doch unverbindlich zu reflektierenden, sowie eher
aphoristisch-sorglos zu behandelnden „indirekten Symbolgestalt“ für wirkliches
soziales Leben behandelt werden sollte, oder aber (wie hier etwa am Beispiel der
generellen neofolkloristischen Dudelsackentwicklung in der DDR) dabei doch auch
gleich direkt all die dort mit Leidenschaft und Sinnerfüllungsbestrebungen
engagierten sowie leidvoll mit Gewissen, Seele und Anstand begabten wirklichen
Menschenwesen und deren jeweils aus Machtpolitik und Geldbestrebung erwachsende
soziale Widersacher, ernsthaft und verbindlich mitbedacht werden sollten ?
Sobald man jedoch diese Optik gewählt hat, kann auch die jeweils
tatsächliche und eben nicht nur „symbolisierend unterstellte“ Relevanz politischer
Eingebundenheit bestimmter Musikinstrumentenentwicklungen umso deutlicher
werden. Und darüber hinaus kann deutlich werden, dass auch bislang
verunsicherte Musikinstrumentenentwicklungen unter anderen sozialökonomischen
Verhältnissen vielleicht neue Entwicklungschancen haben können. Dabei kann ich
nicht verhehlen, dass im Wirkungsfeld meiner politischen Leidenschaften
jedenfalls solche Hoffnungen und Bestrebungen immer eine Rolle gespielt haben.
Und so denke ich wiederum, dass auch die Vielzahl der zwar stets ungebeugten,
aber bislang eben doch wohl sozial eher bei den stets erneut ’Verdammten dieser
Erde’ anzutreffenden älteren Brüder des Krummhorns, trotz ihrer musikinstrumentell
deutlich besseren physikalisch- akustischen Voraussetzungen, bislang eben einfach
kaum Chancen haben konnten, sich entsprechend merklich ausgeprägt und
historisch vernehmlich zu verbreiten und weiterzuentwickeln bzw. ihre Besonderheiten
und speziellen Möglichkeiten entsprechend zu entfalten und zu angemessenerer
Geltung kommen zu lassen...
Vielleicht könnte es aber nun mittels Wissenschaft und engagiertem
Musikantentum letztlich doch die Möglichkeit geben, derartig objektive Chancen,
erneut zu durchdenken und so vielleicht auch zur Entfaltung kommen zu lassen?
Dazu denke ich: Ja - natürlich gibt es derartige Möglichkeiten! Und es
existiert auch die Möglichkeit, derartige Möglichkeiten zu verwirklichen! Aber
das hängt eben auch vom Zustand der dafür mitzuständigen
Wissenschaftsbetrieblichkeiten sowie letztlich von den organisatorischen
Fähigkeiten einer Zivilisation, dabei mit ihren entsprechenden wissenschaftlich-technischen
und kulturellen Möglichkeiten auch in entsprechend humanistisch würdiger sowie sinnvoll
bedachter Weise umgehen zu können, ab. Und da ist dann wohl entscheidend, auf
welche Seite von gesellschaftlichen Kräfteentwicklungen sich jeder einzelne
Interessent stellt und seine Aktivitäten ausrichtet. Aus welcher Position dies
jeweils geschieht. Aus der eher subjektiven Position des nahe liegenden
Selbstvorteils (ob nun jeweils nur „ganz persönlich“ oder im Sinne bestimmter,
sich freilich immer wieder spontan bildender und separierend gestaltender, „Gemeinschaftssinnigkeiten“)
oder aus der Sicht auf bestimmte Sachzusammenhänge, aus denen in eher
objektiver Weise humanistisch zu gestaltende Fortschrittsmöglichkeiten deutlich
werden können.(27) Möglichkeiten, die sich freilich immer auch entsprechend
„wohlbegründet“ vernachlässigen oder umgehen lassen, - mit denen man aber auch
schöpferisch umgehen kann.
Aus den Maßgaben der Geldgewinn-Orientierung lässt sich eine derartige
Gestaltung von Fortschritt freilich nicht so einfach ableiten oder erhoffen.
Ich gehe jedoch davon aus, dass die nunmehrigen Entwicklungsmöglichkeiten
für einen solchen, vormals massenhaft zu sozialer Niedrigkeit und
geschichtlicher Missachtung verdammten ’älteren Bruder’ des Krummhorns nun (zumal
aus vergleichsanalytisch-organologischer Sicht) wissenschaftlich intensiver
bedacht und auch entsprechend genutzt werden sollten.
Es lassen sich da auch ganz neue Möglichkeiten, sowohl des
musikantischen Umgangs mit diesem besonderen Musikinstrument, als auch mit den
doch eigentlich auf der Hand liegenden Möglichkeiten der musikinstrumentell-technischen
Weiterentwicklung des von ihm repräsentierten besonderen organologischen Prinzips
bedenken und ich denke dabei natürlich auch an die Möglichkeit der Weiterentwicklung
von entsprechenden Dudelsack-Melodiepfeifen mit gedeckter Griffweise.
Vielleicht wird sich doch einmal so etwas wie ein auf dem Niveau entsprechend
zeitgemäß moderner Klappenmechaniken durchkonstruiertes zylindrisch gestaltetes
Schalmeieninstrument mit Halbmembran-Tongenerator durchsetzen können.
Ich meine dabei aber auch, dass sich die dabei absehbaren neuen Möglichkeiten
eines erweiterten musikantischen Umgangs mit einer derartigen ganz speziellen,
bislang kaum geahnten Musikinstrumenten-Novität, wohl nur im Zusammenhang mit
der Entwicklung eines generell tiefer zu begründenden humanistischen
Verständnisses von musikinstrumenteller Technik innerhalb sonstiger
Technikentwicklung, wirklich
effektiv weiter bedenken und gestalten lassen werden.
Wer sich dies alles jedoch nicht als mögliche Realität vorzustellen vermag
(und das werden innerhalb der bislang seit eh und je so überaus erfolgreich immer
wieder sozial erniedrigend und stets sozial verungleichend organisierten
Verhältnisse wie die bisherigen, die der Mehrheit der Menschheit schließlich seit
vielen, vielen Jahrtausenden ganz generell und zumeist überaus effektiv, eingewöhnt
und permanent perpetuierend aufgenötigt worden sind, auch immer
dementsprechend angewöhnt-organisierte, „demokratische“ Mehrheiten sein), möge
wenigstens – seinen eigenen persönlichen Mut dabei befragend – versuchen, nun vielleicht
doch einmal einfach das besondere Prinzip dieses Instrumentes selbst „am
eigenen Leibe“ und mit eigenen Händen an einer solchen heutigen „Dolzaina“
auszuprobieren.
Ausgehend von meinem Verständnis in Bezug auf die Notwendigkeit eines
stets abzusichernden hohen Niveaus an solider „kunsthandwerklicher“ Qualität
bei derartigen Musikinstrumenten sowie der (vielleicht nicht ganz so sicheren)
Kenntnis entsprechend zu vergleichender anderer derartiger seither in
Ostdeutschland hergestellter dudelsackrelevanter Instrumente, möchte ich darauf
bestehen, dass die von mir hergestellten Windkapsel-Instrumente sowohl
hinsichtlich ihrer speziell dudelsackorientiert-kombinatorischen
Instrumentalkonzeption, als auch hinsichtlich ihrer besonderen Präzision und
Qualität immer noch zu den vergleichsweise Besten ihrer Art gehören.
Einige von ihnen habe ich zuweilen gern gegen bestimmte Schafs- und
Ziegen-Käsesorten aus der mecklenburgischen Schäferei Hullerbusch (17258 / Feldberger
Seen Landschaft) eingetauscht, welche wiederum – laut Einschätzung von
maßgeblichen Lebensmittel- und Gourmet-Spezialisten - eine der besten
Käsereien in Deutschland hervorgebracht hat. Solche von mir hergestellten
Musikinstrumente sind also sowohl zuweilen auf den Weidewiesen dieser Schäferei
während des dortigen dudelsackumspielten Schafehütens meines Hullerbuscher
Schäferfreundes Heino Hermühlen(28), als auch ständig im Hofladen dieser
Schäferei anzutreffen.
Und in dieser besonderen Verkaufseinrichtung liegt auch das entsprechende
Info-Merkblatt mit genau den „Speziellen Anmerkungen“ aus, die wiederum im hier
nachfolgenden Internet-Text sofort nachgelesen werden können.
Im Hullerbuscher Schäferei-Hofladen können diese also auch in
handlicherer papierner Form, sowie in aller Ruhe und im unmittelbaren
handlichen Vergleich mit den dort ausgestellten Instrumenten aus meiner
Werkstatt, gründlich nachgelesen und eingehender bedacht werden.
*
Spezielle Anmerkungen zu den Dudelsackpfeifen
aus der Werkstatt von Prof. Dr. B. H. J. Eichler
www.bhje.de
1.Zylindrische Schalmeien mit ’doppeltem Halbmembran-Tongenerator’ und Windkapsel
Als Vertreter
dieser Art von Blasinstrumenten kennen wir in Europa nachgewiesenerweise
vornehmlich Krummhörner. Aber auch manche Melodiepfeifen ganz bestimmter
westeuropäischer Dudelsäcke funktionieren nach diesem besonderen
physikalisch-akustischen Prinzip. Aus Asien sind entsprechende mundbeblasene
Instrumente in gerader Form - die allerdings ohne Windkapsel angeblasen werden
- ebenfalls bekannt. Über die geschichtlich relevante Existenz entsprechender
gerader mundbeblasener europäischer Instrumente ist hingegen weniger bekannt.
Solche gegenüber dem Krummhorn nur scheinbar einfacheren Instrumente habe ich
bereits seit Anfang der 80er Jahre, im Zusammenhang mit der Entstehung der
ersten in der DDR von mir entwickelten „Hümmelchen- Dudelsäcke“,
verschiedentlich hergestellt. Aus vergleichsanalytisch-organologischer Sicht
betrachtet, wird es diese mundbeblasenen zylindrischen Instrumente in gerader
Form früher sicherlich auch in Europa ziemlich zahlreich - allein schon als
Vorläufer bzw. unmittelbare Verwandte (und damit dann wohl auch als einen der
damaligen „de facto Konkurrenten“) des Krummhorns gegeben haben.
Musikgeschichtlich überaus häufig nachgewiesen sind beispielsweise die dafür
zutreffenden Instrumentenbezeichnungen „Dulciana“ oder auch „Dolzaina“, zu
denen seitens der Musikwissenschaft allerdings gerne betont wird, dass sich
dazu nur diese Namen mit entsprechenden Beschreibungen, aber ansonsten
keinerlei Hinweise oder Originale finden lassen. Dass die in diesem Sinne
beschriebenen Instrumente nun in Deutschland in der Regel mit dem so
offensichtlich falschen Namen „Cornamusa“ oder auch „Cornamuse“, bezeichnet
werden (was fatalerweise auf eine Fehlleistung des berühmten M. Prätorius
zurückzuführen ist), macht die Angelegenheit keineswegs durchsichtiger.
Die im
analytischen Vergleich von Krummhorn und Dolzaina zwar deutlich belegbaren
physikalisch-akustischen Vorzüge einer solchen, gegenwärtig zweifellos immer
noch unterschätzten, „ungekrümmten“ Instrumentalvariante dieses bislang
vornehmlich „in vornehm gebeugter Form“ vorgefundenen, und dann auch
vornehmlich in dieser Weise wahrgenommenen musikinstrumentellen Prinzips,
werden sich aber wohl nur im Laufe wiederum längerer Zeiten (also in geschichtlichen
Dimensionen?), und dann wohl auch nur durch tatsächlich stärker musikwirksam
werdendes, von vielen Menschen froh und liebevoll-aktiv, und also frei
gelebtes, Musikantentum (also gegebenenfalls ebenfalls nur als ’geschichtlicher
Prozess?’) in der Realität verwirklichen, und dann auch in dieser Weise
„belegen“ lassen können.
Ein in diesem
Sinne freier konzipiertes “gerades Krummhorn“ wird also vor allem von solchen
Menschen verbindlicher akzeptiert werden können, die den hier
entgegenstehenden, vornehmlich kunstverfremdend verheiligt vereinseitigenden
Zuneigungen zu entsprechenden ’Krummhorn-Vorurteilen’ nicht in allzu
blind-dogmatischer Weise unterliegen und anhängen und so auch eher geneigt sein
können, sich auch rational und offenen Geistes, und dementsprechend auch
praktisch-musikantisch freier, zu orientieren. Und dazu wird sich schließlich
doch immer wieder eine gewisse, wenn wohl auch kaum eine die Mehrheit bildende
Menge von Interessenten herausbilden können. Man kann insofern also auch stets
Hoffnung haben. Man kann jedoch andererseits auch die in bisherigen
’schlechteren Vergangenheiten’ verpassten, aber gegenwärtig doch immer noch zu
ergreifenden und auch deutlich auf der Hand liegenden besseren Möglichkeiten
wiederum in der Gegenwart erneut verpassen und so (insbesondere mit dem stets
bequem nahe liegenden, aber doch auch stets sehr verlogenen Hinweis auf deren
‚Vergangensein’) erneut und noch gründlicher, missachten und versaubeuteln. Und
vielleicht sind wohl ganz wesentliche Züge unserer nunmehrigen Gegenwart
geradezu dadurch zu kennzeichnen, dass wir solches (eben nicht nur, wenn es um
Musik und ein sachlicher zu begründendes, wissenschaftlich fundiertes
Verständnis zu musikinstrumenteller Technikentwicklung geht) doch eigentlich
ständig tun und auch immer wieder unbedacht geschehen lassen. Die Dolzaina ist
dabei freilich nur ein sehr kleines Verdeutlichungsbeispiel innerhalb dieser
weitaus größeren, und eben doch durchaus sorgenvoll zu bedenkenden Kalamitäten
unserer Art von Zivilisation. Und auch wenn sich im konsequent eingehenderen
Nachdenken über dieses kleine bemerkenswerte sowie bemerkenswert unterschätzte
Musikinstrument zwangsläufig derartige größere Bedenklichkeiten auftun werden,
so sollte wiederum der liebevolle Umgang mit ihm, als einem offenbar besonderen
und vielleicht auch besonders sympathischen (?) kleinen Stück menschlicher
Technik, eben nicht vorwiegend Sorgen und skeptische Bedenklichkeiten, sondern
eher welteröffnende Freude bereiten.
In diesem
Sinne, - also sowohl sorgenvoll bedenkend als auch freudvoll erwägend und dann
auch unverzagt optimistisch anpackend - habe ich diese Instrumente, zu denen
ich meine, dass sie tatsächlich mit vollem Recht und historisch exakt als
„Dolzaina“ bezeichnet werden können, vor allem in den im Folgenden näher
erläuterten drei Größen hergestellt, mittels derer dann insgesamt die
Dur-Tonleitern D/G; C/F und Bb/Eb gespielt werden können. Dabei habe ich nicht
etwa vor, in der ansonsten üblichen vergangenheitsorientierten Weise das
„krummhorngemäße“ oder „blockflötenartige“ Zusammenspiel entsprechender
’Instrumentensätze’ nahezulegen, sondern denke eher an doch stets
tonartgebundene, heutig-konkrete Möglichkeiten des freieren Zusammenspiels mit
möglichst vielen verschiedenen anderen Instrumenten (insbesondere aber auch in
Kombination mit verschiedenen anderen Dudelsäcken und/oder Drehleyern, aber
auch Cistern, Mundharmonikas, Flöten, Maultrommeln etc.) innerhalb
zukunftsoffen-freierer, stets auch selbst und selbstbewusst eigenwillig zu
gestaltender, musikantischer Aktivitäten.
1. Kleine
Dolzaina mit einer Holzkörperlänge von ca. 210 mm; in den Tonarten D und G
(auch als Melodiepfeife für das Hümmelchen nutzbar);
2. Mittelgroße
Dolzaina mit einer Holzkörperlänge von ca. 240 mm; in den Tonarten C und F
(ebenfalls als Melodiepfeife für
Hümmelchen oder aber - mit erweitertem Schallbecheraufsatz - für den
kleineren Bock nutzbar);
3.Große Dolzaina mit einer Holzkörperlänge von ca. 280 mm; in den Tonarten Bb und Eb
(mit erweitertem Schallbecheraufsatz auch als Melodiepfeife für den großen Bock nutzbar).
Der zylindrische Grundkörper all dieser von mir stets vor und auch nach dem
Drechseln in erhitztem Kerzenwachs imprägnierten Instrumente wurde dann,
jeweils im oberen Bereich, mit einem (vielleicht nicht immer sofort klar
lesbaren) kleinen Brandstempel, mit der Zeichenfolge ’ b h j e. d
e’ versehen.
Damit soll auf
meine entsprechende Internet-Seite verwiesen werden, auf welcher sich, neben
einer Auswahl meiner Arbeiten zur „Vergleichsanalytischen Organologie“, auch
bestimmte andere, auch diese Schalmeienart speziell betreffende Beiträge (siehe
dazu beispielsweise auch die entsprechenden „Allgemeinen
Hintergrund-Anmerkungen zu den Dudelsackpfeifen aus meiner Werkstatt“ sowie
weitere Arbeiten zu dieser Problematik, insbesondere auch zu „Dudelsäcken in
Europa“, zum ’Deutschen Hümmelchen’ sowie diesbezügliche Vorlesungstexte aus
dem Jahre 2010 etc.) finden lassen.
Innerhalb der
hier vorgestellten drei Dolzaina-Größen sind dann auch verschiedene mögliche Varianten
bzw. „Typenabweichungen“ zu beachten, welche sich (auch abhängig von
den damit zu bespielenden Tonarten) durch unterschiedliche oder zusätzliche
Grifflochanordnungen und/oder auch entsprechende zusätzliche Klappen ergeben
können.
Als weiterer,
besonderer Spezialfall sind aber auch Dolzainas mit einer von mir entwickelten
und ebenfalls aus meiner Werkstatt stammenden zusätzlichen
„Feinstimmeinrichtung“ möglich. Mit dieser bislang wohl einmaligen,
speziellen Neuentwicklung für Dudelsäcke und Windkapselinstrumente ist es nun
möglich, die entsprechenden Melodiepfeifen jederzeit problemlos nachzustimmen,
ohne sie dabei jeweils aus der Windkapsel oder der Melodiepfeifenbuchse des
Dudelsackes herausnehmen zu müssen. Der empfindliche Halbmembran-Tongenerator
verbleibt dabei also, ohne irgendwie mit den Händen in Berührung zu geraten,
stets geschützt, im Innern des Instrumentes.
Im Extremfalle
ist ein solcher „Nachstimm-Vorgang“ dann sogar während des ununterbrochenen
Weiterspielens am Dudelsack möglich.
Ohne eine
solche „Zusatzeinrichtung“ geschieht das Einstimmen entsprechender
Melodiepfeifen in der ansonsten dafür allgemein üblichen Weise: Nach dem
jeweils sehr vorsichtigen Abnehmen der Windkapsel (bzw. dem vollständigen
Entfernen der Melodiepfeife aus der entsprechenden Spielpfeifenbuchse des
Dudelsackes) kann dies durch ein (in der Regel dabei auch mehrfach zu
wiederholendes) Verschieben des Tongenerators mit der Hand erfolgen.
Bei den von mir
hergestellten Dolzainas lässt sich allerdings auch dieser, unmittelbar per
Handeingriff vorzunehmende Stimm-Vorgang weitaus sicherer und einfacher als bei
vergleichbaren Instrumenten bisheriger Machart durchführen, da die präzisen
Röhren der von mir speziell dafür entwickelten Halbmembran-Tongeneratoren,
zusammen mit den entsprechend eingepassten Metallröhren innerhalb des (bei
meinen Instrumenten sehr weit ausgelegten) „Stimm-Verschiebebereiches“ der
Dolzaina-Instrumentenkörper, eine besondere, jeweils genau und luftdicht
ineinander verschiebbar angepasste „Einstimm-Vorrichtung“ ergeben.
Außerdem wurden die Windkapseln aller dieser damit zunächst mundbeblasen zu
betreibenden Dolzainas jeweils so konzipiert, dass diese im Falle der
Verwendung eines solchen Instrumentes als Melodiepfeife an einem von mir
hergestellten Dudelsack dort wiederum Verwendung als Anblasrohr finden können,
indem sie einfach auf das dazu im entsprechenden Sack vorbereitend eingebundene
und jeweils zur genormten Windkapsel genau angepasste „Klappenventilstück“
aufgesteckt werden.
Das besondere Material
der beiden Halbmembranen des von mir eigens für derartige Instrumente
entwickelten Tongenerators stammt von speziell beschichteten Plaste-Folien aus
der Pharmaindustrie, welche sich für meine diesbezüglichen Forschungen und
Vorhaben, vor allem hinsichtlich solcher Parameter wie jahrzehntelange
Maßhaltigkeit, Elastizitätsbeständigkeit sowie technisch exakte
Verarbeitungsmöglichkeiten und minimale Feuchtigkeitsaufnahme sowie auch
hinreichende Temperaturbeständigkeit usw., als besonders vorteilhaft gegenüber
vielen anderen Materialien erwiesen haben.
Die damit
erzeugten Töne sind allerdings nicht übermäßig laut; - wobei ich größere
Lautstärken auch nicht angestrebt hatte. Die einschlägigen historischen Quellen
zu diesen „Dolzainas und Dulzianas“ berichten zudem hinsichtlich deren
Lautstärke Gleiches. Um größere Lautstärken zu erzielen, müsste wiederum mit
jeweils anderen Materialien und anderen Formen für die beiden Halbmembranen des
jeweiligen Tongenerators experimentiert werden.
Der für die
Gesamt-Stimmung einer Dolzaina erforderliche Eigenton des
Halbmembran-Tongenerators liegt bei allen hier genannten Dolzaina-Größen
jeweils im Bereich des Tones E.
Die feineren
Besonderheiten solch spezieller Einstimmverfahren sowie auch der von mir für
diese Instrumente empfohlenen so genannten „gedeckten Griffweise“ (bei welcher
also für jeden exakt gegriffenen Ton einer solchen Melodiepfeife jeweils nur
das für diesen Ton zuständige Griffloch geöffnet wird und alle anderen
Grifffinger in ihrer abdeckenden Position auf allen anderen Grifflöchern des
Instrumentes zu verbleiben haben) sind insbesondere in meinem Buch über das
’Hümmelchen’ (siehe www.bhje.de )
eingehender beschrieben worden.
Am unteren Ende
jeder von mir hergestellten Dolzaina befindet sich jeweils eine kleine
aufgesteckte, das Instrument etwas verlängernde Metallhülse, die in gewisser
Weise die Funktion eines kleinen zylindrischen „Schallbechers“ hat. Durch
verschiedene Manipulationen in diesem Bereich (Verschieben dieser Hülse nach
unten, teilweises Ausfüllen des dortigen Hohlraumes mit Wachs etc.) lässt sich
nötigenfalls der tiefste Ton des Instrumentes separat nachstimmen oder aber
auch der Klangcharakter des ganzen Instrumentes deutlich beeinflussen.
II. Konische
Schalmeien mit ’doppeltem Halbmembran-Tongenerator’ und Windkapsel
Mit der
Herstellung und sukzessiven Verbesserung derartiger Instrumente habe ich mich
seit 1978 befasst, wobei anfänglich vor allem die besonderen Bedürfnisse der in
dieser Zeit in der DDR entstehenden neofolkloristischen Musikantenszene,
welche damals noch vorwiegend durch musikantische Offenheit und den Geist
kameradschaftlich-freundlicher gegenseitiger Hilfe geprägt war, ausschlaggebend
wirkten. Die damals in dieser „Folk-Bewegung“ von den zwar in der Regel sehr
enthusiastischen, aber oftmals auch noch ziemlich dilettantisch agierenden
Folklore-Instrumentalisten vorwiegend verwendeten Tonarten G, C und D wirkten
sich also auch auf diese damals von mir vorwiegend für diese Musikanten-Szene
hergestellten konischen Schalmeien aus.
Derartige
konische Blasinstrumente, die als mundbeblasene Melodiepfeifen auch oft ohne
aufgesetzte Windkapsel gespielt werden, sind innerhalb der unterschiedlichsten
Kulturen, und also auch in den unterschiedlichsten Stimmungen und Formgrößen,
weltweit verbreitet. Als Melodiepfeife für bestimmte Dudelsäcke werden sie
allerdings nur in Westeuropa genutzt.
Ich habe solche
Instrumente letztlich in drei Größen (erstens speziell für die Tonarten G, C, D
sowie zweitens für Bb, Eb, F und drittens für C, F, G) hergestellt. Im
Folgenden soll auf deren Besonderheiten, auf inzwischen erfolgte Verbesserungen
sowie nunmehrige Anwendungsmöglichkeiten näher eingegangen werden:
1.)
Grosse Schalmei
mit einer Instrumentenkörperlänge von ca. 320 mm, für die Tonarten G, C, D;
inzwischen normalerweise mit einer Doppelloch-Halbtonbohrung sowie mit
aufgestecktem Tonfuß und „Abdichtungsrand“ (d.h. mit Ton-Stopp- und
Stakkato-Funktion - entsprechend der Melodiepfeife der irischen „Union Pipe“)
ausgestattet.
Der Eigenton
des entsprechenden Tongenerators liegt im Bereich des Tones Eb.
Diese
’verbesserte Melodiepfeife in G’ (welche als Weiterentwicklung aus dem
„Grundmodell“ der allerersten von mir hergestellten konischen Schalmeien
hervorgegangen ist) verfügt nun auch als Dudelsack-Melodiepfeife über
interessante Überblaseigenschaften.
Dies gilt
insbesondere dann, wenn sie mit einer entsprechenden „Überblasklappe“
ausgerüstet ist und zudem im Bereich der oberen Oktave bestimmte Spieltechniken
(wie zusätzliche Griffkombinationen sowie entsprechendes Verschließen der
untersten „Schallbecher-Öffnung“ usw.) der Irisch-Union Pipe genutzt werden. Im
Extremfalle (auch wesentlich abhängig von der Qualität des jeweiligen
Halbmembran-Tongenerators) kann diese Dudelsack-Melodiepfeife auch über einen
Gesamt-Tonumfang von mehr als zwei Oktaven verfügen und in dieser Hinsicht also
auch die Melodiepfeife der irischen Union-Pipe (also den bisherigen
„Rekordhalter“ hinsichtlich des möglichen Tonumfanges auf der Melodiepfeife
eines Dudelsackes) übertreffen. Dabei waren meine diesbezüglichen Aktivitäten
(wie verschiedentliche Experimente mit Konus- und
Griffloch-Mensur-Veränderungen, Umgestaltungen des Tongenerators, Hinzufügen
von verschiedenen Halbtonbohrungen, unterschiedlich positionierte
Überblasklappen, Veränderungen der „Schallbecher-Konzeption“ etc.), die sich
zunächst schrittweise aus bestimmten Bedürfnissen der allgemeinen
Dudelsackspielerpraxis in der DDR ergaben, stets auch von der Vorstellung eines
künftig möglichen Zusammenspiels einer solchen verbesserten Dudelsack-Pfeife in
G mit der entsprechend ergänzenden, tieferen irischen Union-Pipe Melodiepfeife
in D geleitet. Eine Hoffnung, welche ich im Zusammenhang mit den möglichen
humanistischen Perspektiven weiterer europäischer Integration für ebenso
realistisch halte, wie etwa die künftig besseren Möglichkeiten einer weiteren
Verbreitung osteuropäischer Dudelsackbesonderheiten innerhalb Westeuropas.
Ansonsten ist
diese „große Pfeife in G“ natürlich vorwiegend als Dudelsackmelodiepfeife für
die „große Schäferpfeife“, den gegenwärtig in Deutschland wohl am meisten
verbreiteten Dudelsacktyp, geeignet.
2.)
Mittelgroße
Schalmei mit einer Instrumentenkörperlänge von ca. 270 mm; für die Tonarten
Bb, Eb, F; inzwischen mit einer Doppelloch-Halbtonbohrung sowie einem
drehbaren „Schallbecherteil“ und entsprechend positionierbarem Tonloch für den
kleinen Finger der unteren Spielhand ausgestattet.
Der Eigenton
des entsprechenden Tongenerators liegt im Bereich des Tones F.
Das Grundmodell
dieser Schalmei wurde von mir bereits 1980/81 entwickelt und ist weniger aus
einem allgemeineren „DDR-Folkszenebedürfnis“, als aus den spezielleren
Bedürfnissen der Folk-Gruppe „Windbeutel“ zum Zusammenspiel mit dem deutschen
Bock in Eb sowie den in dieser Gruppe ebenfalls vielfach verwendeten
(üblicherweise zumeist in Bb-Tonarten hergestellten) Blasinstrumenten, wie
Klarinette, Sopranino-Saxophon, Trompete, Althorn, Tuba etc. aber eben auch
bestimmten, ebenfalls in Bb-Tonarten eingestimmten Harmonikainstrumenten (wie
Böhmische Heligonka, Schweitzer Örgli und Russische Saratowka) heraus
entstanden. Insofern verfügt diese Schalmei auch über eine dafür genügend
durchdringende Lautstärke, welche sie auch für das Zusammenspiel mit den
überaus lautstarken schottischen, spanischen oder auch portugiesischen
Dudelsäcken in Bb geeignet machen kann.
Natürlich ist
sie auch als Melodiepfeife für eine (dann etwas kleinere) deutsche
Schäferpfeife geeignet, welche sich damit dann auch für das bislang in
Deutschland eher verpönte und insofern bislang auch völlig unübliche
Zusammenspiel von Bock und Schäferpfeife als förderlich erweisen könnte.
Ausgestattet
mit einer entsprechenden Überblasklappe verfügt auch diese kleinere Schalmei
über weitgehende Überblaseigenschaften innerhalb der zweiten Oktave. Manche
Instrumente dieser Art werden von mir in diesem Sinne auch gerne mit einer
entsprechend vorbereitenden „Überblasbohrung“, zum späteren „Selbst-Anbringen“
einer solchen Klappe, ausgestattet.
3.)
Kleine Schalmei
mit einer Instrumentenkörperlänge von ca. 240 mm für die Tonarten C, F, G; mit
einer Doppelloch-Halbtonbohrung sowie ebenfalls mit einem drehbaren
„Schallbecherteil“ und also positionierbarem Tonloch für den kleinen Finger der
unteren Spielhand.
Der Eigenton
des entsprechenden Tongenerators liegt im Bereich des Tones Fis.
Auch dieses
kleine Instrument kann mit einer entsprechenden Überblasklappe ausgerüstet
werden, um damit dann ebenfalls über bemerkenswerte Überblaseigenschaften
innerhalb der zweiten Oktave zu verfügen.
Dabei kommt
dieser kleine Schreihals hinsichtlich der Aggressivität seines Tones (jedoch
nicht hinsichtlich dessen Lautstärke, da er - ebenso wie die etwas größere
Pfeife in Bb - aufgrund anderer Konus- und Tongeneratorproportionen doch leiser
konzipiert wurde) der schottischen Spielpfeife im Klangcharakter am nächsten.
Als Instrument im „Pikkolo- Kaliber“ ist er allerdings von der
Fingerpositionierung her nicht von jedermann leicht zu beherrschen.
Im Unterschied
zur etwas größeren Pfeife in Bb (die von der „Neofolkloreszene“ in der DDR,
wohl wegen der ’unhandlichen’ Tonart, eher missachtet wurde) entsprang der
verschiedentlich deutlich geäußerte Wunsch nach einem solchen kleinen
’C-Dur-Instrument’ (eben auch gedacht als Ergänzung zur großen Pfeife in G)
einem damals (vor allem in den Jahren 87-89) offenbar sehr ausgeprägten
Bedürfnis. So haben sich in dieser Zeit auch verschiedene
Dudelsack-Interessenten um die Herstellung eines solchen Instrumentes bemühen
wollen, - worüber dann (zumal auch in der bereits Jahre zuvor von mir
gegründeten ZAG-Arbeitsgruppe „Musikfolkloristisches Instrumentarium“) zuweilen
nachgedacht und auch ’geplant’ wurde...
Zu einem für
mich befriedigendem Ergebnis bin ich dabei aber erst gelangt, nachdem ich
später auch mit speziellen Tongeneratoren mit wesentlich kleineren (also nicht
nur kürzeren) konischen Messingrohren als bei der Oboe üblich, experimentieren
konnte. Diese besonderen Messinghülsen (welche ich nun auch gerne für die
Tongeneratoren der Bb-Schalmei verwende, - wohingegen die Tongeneratoren meiner
G-Schalmeien weiterhin mit konischen Hülsen im Oboen-Kaliber ausgerüstet sind)
musste ich dazu allerdings eigens nach meinen Maßangaben von einer Spezialfirma
anfertigen lassen. Ich weiß heute nicht, inwieweit die Herstellung einer
derartigen kleinen, auch überblasbar konzipierten, konischen Dudelsackpfeife
inzwischen auch noch anderen Herstellern von Dudelsäcken und Schalmeien
gelungen sein mag. Hervorheben möchte ich dazu aber, dass gerade das
Zusammenspiel dieser kleinen Melodiepfeife in C mit der großen Schäferpfeife in
G überaus faszinierend und „glanzvoll“ sein kann.
Neben der nun
eigentlich schon seit Jahrzehnten nahe liegenden Möglichkeit eines
Zusammenspiels von deutscher Schäferpfeife in Bb und deutschem Bock in Eb
könnten sich inzwischen aber auch durch ein Zusammenspielen von großer
Schäferpfeife in G und der kleinen Melodiepfeife in C wiederum ganz neue
Perspektiven für eine erweiterte Kultur des Dudelsackspiels in Deutschland
ergeben.
Die bereits
innerhalb des I. Abschnittes zu „ Zylindrische Schalmeien...“ erfolgten
Darlegungen zu den dort jeweils durch Unterstreichung und „Fettdruck“
hervorgehobenen und in der hier nachfolgenden Aufstellung wiederholt genannten
Stichwörtern
- Brandstempel
- Varianten und Typenabweichungen
- Feinstimmeinrichtung
- Windkapsel
- Material der beiden Halbmembranen,
gelten in
gleicher Weise auch für die im Abschnitt II. behandelten konischen Instrumente.
In der
nachfolgend dargestellten Grifftabelle sind die für diese konischen Instrumente
erforderlichen Tonleiter-Griffe zu erkennen, welche hier mit den
entsprechenden Tönen für die in C gestimmte kleine Schalmei angegeben sind.
Das Zeichen *
bedeutet: Griffloch geschlossen; ° bedeutet: geöffnet.
Die gleiche
Tonleiter-Griffweise gilt analog auch für die anderen beiden konischen
Schalmeien in Bb und G.
Dabei sollte
jeder Spieler sowohl für bestimmte feinere Intonationsregulierungen als auch
für entsprechende Vibratoeffekte an manchen Tönen noch zusätzliche Auf- und
Abdeckbewegungen an jeweils darunter liegenden Tonlochbohrungen erproben, wobei
insbesondere an Fingerbewegungen der unteren Spielhand zu denken ist.
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h c d e f fis g a b h c
*
Anmerkungen/Quellen:
(01)
Siehe dazu: „Ausgewählte Thesen und Anmerkungen zur ’Vergleichsanalytischen
Musikinstrumentenforschung’(VAO)“
(02)
Nach dem Tode von
Jack Mitchell bat mich seine Frau Renate um ein zur Veröffentlichung
vorgesehenes Statement zur Gruppe „Jack & Genossen“ sowie zu meinen
persönlichen Erinnerungen an ihn. Ich bin dieser Bitte damals sehr ausführlich
nachgekommen, wobei ich insbesondere auf die konfliktreichen Besonderheiten
dieser Gruppe innerhalb der DDR-Singebewegung und der dann später entstehenden
Neofolkbewegung eingegangen bin und natürlich die besonderen politischen
Anliegen von Jack in der DDR sowie sein generelles Engagement als
internationalistischer kommunistischer Sänger und Liedermacher zu würdigen
versucht habe. Renate hat meinem Text, der sich von seinem politischen Anliegen
und seinem Inhalt her natürlich (eben Jack & Genossen!) deutlich von den
meisten der anderen, von Renate erbetenen Erinnerungen zu Jack unterschied,
zwar nicht widersprochen oder mich um Änderungen gebeten, ihn aber offenbar
auch niemals (trotz ständiger diesbezüglicher Versprechen) veröffentlicht und
ist inzwischen offenbar auf eine politisch indifferentere Verhaltensposition
geraten, die ihr eine Publikation meines Textes nun wohl kaum mehr als
angebracht erscheinen lässt.
Seit 2009 ist dieser
Text nun aber unter: „Denke ich heute an Jack Mitchell…“ hier zu finden.
(03)
Siehe dazu: „Dudelsäcke
im europäischen Spannungsfeld zwischen Ost und West“; Eines dieser Instrumente, welches auch in der
damals von Prof. Jakobeit im Pergamon-Museum organisierten Ausstellung „Volksmusik
und Volksmusikanten“ zu sehen war, wurde nach Beendigung dieser Exposition dann auch (neben
anderen Instrumenten meiner Sammlung) vom Musikinstrumentenmuseum der Leipziger
Karl-Marx-Universität dokumentiert.
(04)
Ein „kleiner Grund am Rande“ für diese bei mir
bald fest ausgeprägte „Dudelsack-Bau- Konzeption“ ergab sich vielleicht auch aus
einer peinlich fatalen Diskussion, in die ich, anlässlich meiner Publikation zum Dudelsack
in der Zeitschrift URANIA, mit Prof. Stockmann geriet. Damals versuchte ich noch
- zumal er mich anfänglich (also nachdem er mich als Mitglied in sein „DDR Nationalkomitee beim
International Council for Traditionell Music“ berufen hatte) ständig darum bat, ihn entsprechend zu
informieren - mit ihm über alle meine wissenschaftlichen Projekte, speziell zu
Musikinstrumenten und allgemeiner zur Musikfolklore, zu sprechen. Hinsichtlich dieses
Dudelsack-Publikationsvorhabens hatte ich aber auch schon mit Prof Jakobeit gesprochen, welcher damals bereits große
Teile meiner Musikinstrumenten- Sammlung für seine im Pergamon Museum
veranstaltete Ausstellung „Volksmusik und Volksmusikanten“ ausgeliehen hatte und dann
auch von der Redaktion der URANIA als Gutachter für meinen Artikel angefordert
wurde. Darüber war Stockmann nun aber offensichtlich empört und warnte mich sogleich
eindringlich davor, dabei einen „politisch bedenklichen Weg einzuschlagen“, denn Jakobeit,
der offenbar zuvor im gleichen Bereich wie Stockmann, an der Akademie tätig war, sei dort
“nicht im Guten weggegangen“... Im Weiteren entwickelte sich diese Diskussion
um meinen Text aber noch unsinniger, denn letztlich versteifte sich Stockmann in die
dann mehrfach wiederholte Behauptung, dass ein nur mit Mundrohr und Melodiepfeife ausgestattetes
Balginstrument ohne Bordun „keinesfalls den typologisch-systematischen Anforderungen des
Begriffes `Dudelsack` entsprechen könne“...Ein Dudelsack ohne Bordun sei eben
kein Dudelsack… Und natürlich berief er sich dabei auch auf Sachs und Hornbostel. (Siehe dazu auch
deren entsprechende Bemerkung auf S.160 ihrer „Systematik“, in der von Stockmann und
Kaden dann 1986 herausgegebenen Wiederveröffentlichung). Ich konnte dem nur das entgegensetzen, was ich
dabei auch heute noch für wesentlich halte: Die Geschichte dieses Instrumentes weist in
ihren Anfängen (was sich insbesondere in Nordafrika heute noch vermerken lässt)
durchaus einstimmige und später auch zweistimmige bordunlose Sackpfeifen-Instrumente auf, und in
ihrer Gegenwärtigkeit weist sie durchaus die immer wieder anzutreffende Tendenz auf, Bordune
zuweilen abzuschalten, um dann nur auf der Melodiepfeife mit anderen Instrumenten
bordunlos, und insofern harmonisch freier, zusammenspielen zu können. Für diese nunmehr
moderne musikantische Entwicklung, bei der auch vielfach vorzügliche professionelle
Studio-Aufnahmen von Dudelsackmusik entstanden sind, finden sich insbesondere bei
irischen, aber auch bei bulgarischen und rumänischen und sogar bei den sich ansonsten
sehr traditionell gebenden sorbischen Dudelsackspielern, viele Beispiele. In weniger
professionell ausgeprägter Weise zeigt sie sich aber auch bei vielen amateurischen
Dudelsackspielern, die mit ihren Bordunen entweder nicht zurecht kommen und sie deshalb lieber
abschalten oder eben, ebenfalls im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten, sehr gut ohne den
Bordun-Klang auskommen können, wobei viele von Ihnen dabei aber trotzdem niemals auf das
obligatorische Erscheinungsbild des mit mächtigen Bordunpfeifen ausgerüsteten
Dudelsackspielers verzichten würden. Ich gehöre nun zu denen, die einen solchen
Image-Verzicht nicht als schmerzlich, sondern eher als ehrlich und oft auch als
ausgesprochen praktisch empfinden und habe außerdem meine bordunlosen Sackpfeifen natürlich auch
meinen Musikschul-Schülern als zunächst leichter zu bewältigende Lerninstrumente zur
Verfügung gestellt. Und alle diese Eigenarten gehören eben auch zur wirklichen Geschichte
dieses Instrumentes. Außerdem kommt noch Folgendes hinzu: Oft wurde ich von
Dudelsackinteressenten, welche sich unbedingt einen Dudelsack selber bauen wollten, um eine
entsprechende – für unerfahrene Bastler eben keinesfalls einfach herzustellende –
Melodiepfeife gebeten, und die Förderung der „Selbstherstellung von Dudelsäcken“ war aus
ganz bestimmten Gründen (siehe dazu auch den Flyer der Gruppe „Windbeutel“) schon von Anbeginn dieser
Entwicklung in der DDR immer schon ein besonderes Anliegen
von mir. In gleichem Sinne kann ich also auch einen bordunlos gefertigten Dudelsack für
Jeden empfehlen, der sich einfache Bordunpfeifen, die letztlich nicht nur
unkomplizierter als eine Melodiepfeife, sondern auch problemloser als etwa ein solider
Sackpfeifensack angefertigt werden können, doch lieber selbst herstellen möchte.
(05)
Siehe dazu: „Einige
Bemerkungen zur Dudelsackentwicklung in der DDR und zu erweiterten
Möglichkeiten eines Hümmelchen Instrumentes“ sowie „Einige grundsätzliche
Aspekte zum besseren Verständnis von Musikinstrumenten im Lichte der Arbeiten
des Verhaltensphysiologen Erich von Holst“ in: www.bhje.de
(06)
Mit dieser
umfangserweiterten „Ganzmetall-Dudelsackpfeife“ trat ich zusammen mit der
Gruppe Windbeutel 1978 zum internationalen Dudelsackpfeifertreffen in
Strakonice, CSSR, auf. Zu Beginn des Festivals äußerte sich J.Rezny höchst
ungehalten über diese, nun mit mehreren Klappen erweiterte Veränderung der
Melodiepfeife eines traditionellen Dudelsackes und schimpfte dazu mit den
Worten: „So ein Unsinn! Man kann doch die Dudelsackmelodiepfeife nicht einfach
zur Klarinette umbauen!“ Am Ende des Festivals bat er mich dann aber um diese
Spielpfeife für seine Dudelsacksammlung. Ich schenkte sie ihm mit der Bitte um
die Möglichkeit, später einmal in aller Ruhe und Ausführlichkeit die
Northumbrian Small Pipe seiner Sammlung vermessen und ausprobieren zu dürfen.
Diese Möglichkeit war damals überaus wichtig für mich. Außerdem ging ich davon
aus, dass er eine solche, sicherlich einmalige Bock-Melodiepfeife auch in den
von ihm veranstalteten Dudelsackbauertreffen/Werkstätten künftig anderen
Dudelsackbauern zugänglich machen würde und sie insofern bei ihm sicherlich am
besten aufgehoben sei. Denn während des 1978er Festivals wurde diese
Melodiepfeife allseits, insbesondere aber von den dortigen tschechischen
Spielern und Dudelsackbauern, intensiv bestaunt und auch vielfach fotografiert.
Meine späteren Erfahrungen mit J.Rezny haben meine diesbezüglichen
Vorstellungen und Hoffnungen aber nicht bestätigt. Ich habe diese Melodiepfeife
dann in den kommenden Jahren, auch als mehrfacher Teilnehmer seiner
nachfolgenden Dudelsackbauertreffen, nie wieder zu Gesicht bekommen und musste
dann doch eher zu dem Eindruck gelangen, dass ihm zuweilen das Verschweigen und
Ignorieren von bestimmten, aus seiner Sicht eben „nicht traditionsgemäßen“
Innovationen und Initiativen, wichtiger war, als etwa Derartiges ernsthaft zur
Kenntnis zu nehmen oder zu erproben. So verhielt er sich später auch zu meinem
Versuch, den von mir entwickelten gefederten Blasebalg auf einer dieser
„Dudelsackbauer-Werkstätten“ eingehender vorzustellen, und trat dem mit den
Worten “Das ist doch alles nur von der Northumbrian Small Pipe abgeschaut!“
entgegen. Bei seiner späteren Dokumentation meines Bockes (dann wieder ohne
diese Metallpfeife) weigerte er sich, den von mir zuweilen auf dieser
Bocksmelodiepfeife erzeugten ersten überblasenen Ton des höheren Registers
sowie den auf meiner Bordunpfeife durch einen bestimmten Druckimpuls zu
erzielenden tieferen Bordunton (d.h. das unter dem Eb liegende tiefe Bb – also
Töne, die freilich nicht immer mit absoluter Sicherheit sofort zum Erklingen zu
bringen sind) in diese Dokumentation aufzunehmen. Außerdem - was mich
allerdings dann bereits weniger überraschte – verhielt er sich gänzlich
ablehnend, als ich ihn mit der von mir entwickelten kleinen konischen Schalmei
in Bb/Eb konfrontierte, bei der ich auch an die speziellen Möglichkeiten des
Zusammenspiels mit dem Böhmischen Bock gedacht hatte.
Ebenso eigenartig
verhielt er sich auch gegenüber meinem ersten Dudelsack mit konischer
Melodiepfeife, zu dem er betonte, dass dieser keineswegs als deutscher
Dudelsack gelten kann, da ich doch gar nicht genau angeben könne, nach welchen
deutschen Originalangaben dieser denn nun rekonstruiert sei...Und so sollte
dieses Instrument dann auch nicht in Strakonice dokumentiert werden.
Diesen kleinen
Dudelsack hatte ich 1980 zum dortigen Festival mitgebracht, aber nicht im
offiziellen Programm mit meiner Gruppe, sondern lediglich alleine, außerhalb
solcher Programme, immer wieder auf den Straßen der Stadt, in den Konzertpausen
auf dem Burghof und natürlich auch unter den Dudelsack-Interessenten auf dem
dortigen Zeltplatz gespielt, wo er auch verschiedentlich von anderen
Dudelsackbauinteressenten ausprobiert und vermessen wurde. Dieses Instrument wurde
damals allgemein bestaunt und ist auch sehr oft von mir aus der Hand gegeben
worden. So wurde es auch intensiv von dem irischen Dudelsackspieler Dan o Dowd erprobt,
der sich lange damit beschäftigte und mir im Gegenzuge dafür etwa 20 Minuten
lang die Möglichkeit gab, auf seiner Irish-Union-Pipe zu probieren; - was für
mich damals freilich ein ungeheures Erlebnis war. Aber natürlich hat er auf
meinem Instrument dann doch mehr zustande gebracht als ich auf seinem. Und da dieser
bekannte irische Dudelsackvirtuose dabei immer wieder viele Interessenten
anzog, wurde er auch, zumal er mit seiner prächtigen Wollmütze, an der er im
Getümmel auf dem Burghof immer zu erkennen war und stets auffiel, intensiv
fotografiert Eines dieser Bilder, mit meinem kleinen Instrument an seinen
Lippen, wurde dann auch über mehrere Jahre hinweg immer wieder auf der von J.
Rezny betreuten Dudelsack-Bilder-Ausstellung über die Entwicklung des Festivals
in Strakonice ausgestellt und ich habe es dann auch stets vermieden, ihn auf
diesen „nicht traditionell-authentischen“ Zusammenhang aufmerksam zu machen.
Ich glaube auch, dass es ihm irgendwie unbehaglich war, dass wir später, wohl
als erste Dudelsackgruppe überhaupt auf diesem Festival in Strakonice, gewagt
haben, mit einem Zusammenspiel von Bock und Heligonka (also den beiden
offensichtlichen „Todfeinden“ unter den Volksinstrumenten) aufzutreten.
Freilich eine bislang durchaus ebenfalls „nicht traditionelle“, aber meines
Erachtens eben ansonsten überaus nahe liegende und damals von der Gruppe
„Windbeutel“ auch immer wieder gerne genutzte Instrumentalkombination.
(07)
Siehe dazu auch:
Dudelsäcke im europäischen Spannungsfeld zwischen Ost und West;
(08)
Siehe dazu:
Ausgewählte Thesen und Anmerkungen zur ’Vergleichsanalytischen
Musikinstrumentenforschung’ (VAO); sowie: Persönliches und Unpersönliches über
eine Privatsammlung in Ostdeutschland
(09)
Klaus Stecker, der
als Erster in der DDR versucht hat, quasi „professionell-erwerbstätig“, seine
Schalmeien und auch entsprechende Dudelsäcke innerhalb der neuentstehenden
neofolkloristischen Szene herzustellen und zu verkaufen, pflegte anfänglich
stets engen Kontakt zu mir, und ich kann mich noch gut an die Vielzahl
ideenreicher Gespräche und Zusammentreffen mit ihm entsinnen. Gespräche und
Beratungen, in welchen wir gemeinsam die technisch-technologischen Probleme
der Herstellung exakter konischer Bohrungen berieten und erprobten, ebenso wie
wir damals mehrfach entsprechende wissenschaftliche Arbeiten zu Schalmeien und
Dudelsäcken gegenseitig austauschten und uns auch unsere jeweiligen
Spezialwerkzeuge gegenseitig ausborgten: Ich arbeitete mehrfach mit seiner
„Klaus-Stecker-Reibahle“, während er die verschiedensten „Mönnig-Reibahlen“ aus
meinem Werkzeugbestand ausprobierte. Mit dem allgemeinen Anwachsen des
Kaufinteresses an Schalmeien und Dudelsäcken, aber auch im Zusammenhang mit dem
dann immer stärker werdenden Interesse an „Mittelalterlichkeit“, welches beides
für mich weniger von Interesse war, änderte er jedoch sein Verhalten in einer
für mich frappierenden Weise. Urplötzlich erklärte er innerhalb einer größeren
Zusammenkunft von jungen Dudelsackinteressenten – ohne je mit mir darüber
irgendwie gesprochen zu haben – dass „Bernd Eichler mit seinen
Oboenrohrblättern auf einem falschen Weg“ sei. Er aber konnte nun genau sagen,
wie die „original mittelalterlichen Dudelsackblätter“ herzustellen, die Säcke
orginalgetreu zu gerben und abzudichten und die Hölzer original vorzubereiten
seien usw... Ein möglicher Ansatz für derartige, ganz plötzlich aufgemachte
Frontstellungen, aus denen heraus er dann natürlich für bestimmte
Dudelsackinteressenten zu einer besonderen Autorität werden konnte und sich so
auch in demonstrativer Weise auf keine weiteren Gespräche dazu mit mir einließ,
war sicherlich meine Konzeption zur Förderung der Selbstherstellung solcher
Instrumente, und damit im Zusammenhang eben auch die Favorisierung von
entsprechend nur leicht zu verändernden Oboenrohren als Tongeneratoren für die
in der DDR-Folkloreszene genutzten Schalmeien und Dudelsackpfeifen. Solche
Tongeneratoren (die schließlich nicht nur für die von mir hergestellten Dudelsackspielpfeifen
allgemein benutzt wurden) waren immerhin stets für jedermann leicht erhältlich,
und ich wollte natürlich, dass auf diese Weise für jeden Interessenten der
aktive selbstbewusst-selbstgestaltete Zugang zu dieser Art von nun wieder ernst
genommener, musikinstrumenteller Volkskultur auch unbehindert von mystischen
Traditions-Vorurteilen oder kommerziell kanalisierten Verkaufsinteressen,
möglich sein sollte. Dass sich da innerhalb solcher Frontstellungen allzu
leicht nahe legen ließ, dass doch auch die Verwendung der modernen Oboenrohre
niemals das Richtige für die keinesfalls modernen, sondern eben möglichst
„altertümlich-original- mittelalterlich usw.“ zu gestaltenden Dudelsäcke sein
könne, mag wohl vielerseits als völlig einleuchtend erschienen sein. Insofern
hat sich dann auch zur Blattherstellung wiederum ein ganz besonderer, und
vielleicht auch besonders aufschlussreicher Kult sowie eine sich speziell
damit befassende kleine „Szene“ entwickelt, innerhalb derer sich dann (freilich
erst viel, viel später) auch eine Zeit lang Jo Maier heftig engagiert hat und so
auch in bemerkenswert auffälliger Weise immer wieder (wohl nicht nur mir
gegenüber) von Prof. Stockmann - bis hinein in die dann nach 1989
stattfindenden gesamtdeutschen Tagungen des ICTM- Nationalkomitees - als
besonders fachkundiger Spezialist erwähnt und hervorgehoben wurde. Auf einer
dieser ersten gesamtdeutschen Sitzungen in Westberlin wurde damals auch von
einem Dudelsackspezialisten aus Westdeutschland die Problematik der Herstellung
solcher spezieller Tongeneratoren aufgeworfen, und Stockmann ging dann in der
Diskussion (unter anderem mit der wörtlichen Formulierung „Wir haben doch dazu
die genauen Daten“) soweit, nun zu behaupten, dass dazu bereits exakte
Forschungsarbeiten in Ostdeutschland stattgefunden hätten. Nachdem ich mich in
der Diskussion dazu kritisch und nachfragend geäußert hatte, verwies er mich
dann in der Pause wieder auf die entsprechenden Spezial-Kenntnisse und
Aktivitäten von Jo Maier...
In all diesen Zusammenhängen
muss ich aber, was das weitere Verhalten von Klaus Stecker betrifft, hier auch
wieder eine, wiederum analytisch vergleichend besser zu verstehende, besondere
Anmerkung machen. Ein Anmerkung, zu der ich allerdings etwas ausholen muss.
Die von mir ganz
privat, zunächst nur mit wenigen Freunden und Musikantenkollegen initiierte
Gründung der „Deutschen Dudelsackbrüderschaft der DDR“ für welche sich
natürlich, aber letztlich doch wohl bemerkenswert unaufgeregt, auch immer
wieder das Ministerium für Staatssicherheit interessiert hat, ist, außer bei
einigen lange Zeit überaus feindselig reagierenden Kulturfunktionären in
Berlin, vor allem bei vielen Dudelsackinteressenten in der ganzen DDR und dann
auch sehr schnell bei den verschiedensten Medien des Landes, auf ein
ausgeprägtes Interesse gestoßen, so dass darüber (in der Regel in der Form von
kleineren Informationsbeiträgen, Interviews, Gesprächen oder auch „Talk-Shows“
mit meiner Beteiligung) auch vielfach in Presse, Rundfunk und Fernsehen der DDR
berichtet wurde. Diese „musikfolkloristische Vorgeschichte“ war dann wohl auch
mit ein Grund dafür, dass ich später vom Minister für Kultur zum Vorsitzenden
der dann eigens neugegründeten „Zentralen Arbeitsgemeinschaft für Musikfolklore
der DDR“ berufen wurde. Die Tatsache, dass ich diese Funktion dann aus klar
formulierten Gründen meines nicht nur in der ZAG, sondern auch im Ministerium
schriftlich vorgelegten Nichteinverständnisses mit bestimmten Aspekten der
damaligen Kulturpolitik zur Musikfolklore niedergelegt habe, und dann insofern
de facto und de jure (und fraglos auch ausgesprochen nutznießerisch) mein
vormaliger Stellvertreter Jürgen Wolf, welcher ohnehin immer wieder als
„Führerpersönlichkeit der DDR-Folklorebewegung“ hervorgehoben wurde und der den
staatlichen Stellen auch keineswegs solche Probleme vorhalten oder etwa
bereiten konnte wie ich, diese Funktion dann bis zum Untergang der DDR
innehatte, ist völlig zweifelsfrei und muss hier vielleicht nur der
Vollständigkeit halber erwähnt werden. Wichtig für das, was ich zu Klaus
Stecker sagen möchte, ist hingegen Folgendes. Zur Gründung dieser ZAG wurde
Prof. E. Stockmann seitens der „DDR-Obrigkeiten“ im Kulturministerium und im ZK
der SED zunächst weder irgendwie befragt noch irgendwie bedacht. Von den
Staatsorganen der DDR wurde dieser Professor ja auch ganz offensichtlich vor
allem auf außenpolitischem Terrain eingesetzt.
Und zudem wusste man
dort auch, dass diese ‚international bedeutende musikethnologische Kapazität’
doch offenbar über keinerlei wirklich genaueren Kenntnisse zu den
aktuell-konkreten Musikfolklorebewegungen innerhalb des eigenen Landes
verfügte, denn da informierte man sich im Kulturministerium doch schon lange
bei ganz anderen, und auch zweifellos sachkundigeren Musikwissenschaftlern, von
denen ich im Laufe der Zeit dann auch anlässlich der verschiedensten Beratungen
eine ganze Reihe kennen lernen konnte. Beratungen, an denen ich immer wieder
(auch nach der deutlichen Niederlegung meiner ZAG-Funktion) im
Kulturministerium oder auch in der Kulturabteilung des ZK’s eingeladener weise
teilnehmen konnte. Und auch da, also dann auch weitaus später, war Stockmann
ebenfalls niemals dabei oder etwa irgendwie gefragt. Nach der Gründung der ZAG
Musikfolklore, welche ihm wohl auch erst durch mich (im Rahmen seines ICTM
Nationalkomitees, zu dessen Mitglied er mich schon lange zuvor berufen hatte)
bekannt wurde, war er deutlich empört, dass man dabei seitens der Regierung
nicht an ihn gedacht hatte. Wie mir dann verschiedentlich im Ministerium
erzählt wurde, hatte er sich darüber auch beim Minister für Kultur beschwert und
es ist ihm dann offenbar auch gelungen, dort klar zu machen, dass es seiner
internationalen Position als Präsident des ICTM und seiner entsprechenden
musikethnologischen Bedeutung innerhalb der UNESCO schaden würde, wenn er
dabei nicht auch innerhalb des von ihm speziell zu vertretenden Landes in die
aktuellen kulturpolitischen Organisationstrukturen der hiesigen
Musikfolklorebewegungen eingebunden sei. Nach seiner dann natürlich
unverzüglich erfolgenden Ernennung als weiteres ZAG-Mitglied wandte er sich
immer wieder mit verschiedenen Projekten und speziellen Vorhaben (z.B.
Feldforschungen zu aktuellen Musikfolklorebestrebungen in der DDR, Erfassung
aller Initiativen zum Musikinstrumenten-Selbstbau, Befragungen zur
Motivationsstruktur profilierter Folk-Gruppen, Publikationstätigkeiten zur
DDR-Folklorebewegung usw., aber vor allem zu einer bestimmten, alsbaldigst zu
verwirklichenden Serie von „Gesprächen zur DDR-Musikfolklore“ im Rundfunk der
DDR unter seiner Leitung) an mich, ohne diese Vorhaben jedoch jemals innerhalb
der ZAG-Sitzungen vorzutragen. Derartige Ansinnen an mich, in denen er auch
immer wieder (eben gerade auch so wie innerhalb seines ICTM Nationalkomitees)
überdeutlich werden ließ, dass eben nur er bestimmen werde, was andere unter
seiner Oberhoheit letztlich zu machen hätten, mussten natürlich mit meiner
Person schief gehen. Ebenso dann auch seine perfide subalternierenden
Beschwerdeinitiativen, mit denen er sich anfänglich mehrfach „offiziell“ bei
mir – eben in meiner Funktion als der ZAG-Vorsitzende – darüber beklagte,
dass er wieder einmal von einschlägigen DDR-Kulturinstitutionen übersehen oder
auch abschlägig beschieden worden war, wenn es ihm darum ging, auch offiziell
(und dabei natürlich unbedingt auch immer zusammen mit seiner zu solchen
Gelegenheiten stets für unverzichtbar ausgegebenen Partnerin
Hanni Bode) als „der Präsident des bei der UNESCO
angebundenen ICTM“ zu bestimmten landesweiten oder auch regionalen
Musikfolkloreereignissen (etwa Tanzfestival in Rudolstadt, Festival des
Politischen Liedes in Berlin, Arbeiterfestspiele, regionale Ausscheide von
Musikfolkloregruppen usw.) ordentlich eingeladen zu werden. Ich sollte dies
dann jeweils „in meiner Funktion und in seinem Namen“ als offizielle Beschwerde
unterstützen und diese entsprechend offiziell an den Minister für Kultur
weiterleiten, - was ich natürlich immer abgelehnt und auch niemals getan habe.
Allein insofern musste sich unser Verhältnis nun zwangsläufig immer weiter
verschlechtern, zumal ihm sicherlich schon damals, nachdem ich ihn zuvor
bereits mehrfach persönlich mit bestimmten „Fachfragen“ behelligt hatte (was
immer enttäuschend für mich ausgegangen war), sehr deutlich geworden sein muss,
dass ich schwerwiegende wissenschaftliche Gründe habe, seine Fachkompetenz in
Bezug auf Musikinstrumente (aber eben auch hinsichtlich der konkreten
Musikfolklorebewegungen in der DDR) immer wieder deutlich in Frage zu stellen.
Insofern ließen auch seine Initiativen hinsichtlich der anfangs mit mir sehr
motivationsgeladen besprochenen (allerdings eben doch eher von ihm intern
konzipierten) „ZAG-Projekte“ alsbald deutlich nach, wobei er allerdings auf
die von ihm mit mir als „ZAG Vorsitzendem“ vorgesehenen Rundfunkgespräche,
sowie bestimmte „Feldforschungs-Informationsgespräche zur Folkloresituation in
der DDR“ doch immer wieder zu sprechen kam. In diesen beiden Punkten machte
auch ich zustimmend klar, dass ich daran durchaus interessiert sei und
verdeutlichte ihm, dass ich eben gerade darin eine Möglichkeit sehen würde, dabei
auch ganz bestimmte, ansonsten von mir nur auf letztlich „internen“ Beratungen
und Besprechungen immer wieder dargelegte Probleme auch öffentlich zur Sprache
zu bringen. Eben genau die Probleme, die ich auch in meiner dem
Kulturministerium später vorgelegten Begründung für das Niederlegen meiner
ZAG-Funktion als grundlegend angeführt habe. Ich musste allerdings – letztlich
keineswegs überraschend für mich – alsbald merken, dass er daran keineswegs,
sondern (wie eben doch zu erwarten) eher an einer effektiven Selbstdarstellung
zu seiner eigenen bedeutungsvollen Rolle interessiert war. Überraschend war in
diesem Zusammenhang dann aber doch für mich, dass plötzlich im Rundfunk der
DDR ein Gespräch unter Leitung von Prof. Stockmann mit den beiden Musikfolklorespezialisten
Jo Maier und Klaus Stecker zu hören war, in welchem wiederum ganz andere
erstaunlich überraschende Dinge für mich zu vernehmen waren. Beispielsweise
konnte der Hörer nun einen Jo Maier vernehmen, der dort – auf die Anfrage des
Professors hin – berichtete, sich das Spiel auf der nun wieder von den jungen
Musikfolkloristen in der DDR verwendeten historischen Schalmei, aus besonderer
Liebe zu deren Klang, selbst und auch ganz alleine beigebracht zu haben, und der
auch ansonsten Eigenartiges über bestimmte, nun wieder verwendete,
selbstgebaute folkloristische Musikinstrumente zu berichten wusste. Anders als
die Hörer, die zumeist wohl nicht wissen konnten, dass sie hier letztlich in
einer überaus eitel angelegten Art und Weise, mittels speziell lancierter
Unwahrheiten über die neueren Musikfolkloreentwicklungen in der DDR informiert
werden, wussten aber sicherlich alle an diesem Gespräch im Rundfunk selbst
Beteiligten genau, dass hier nun ganz gezielt und in einem ganz bestimmten
Sinne mit der Unwahrheit umgegangen wird. Da hatte Prof. Stockmann die beiden
von ihm vorgestellten Folklorespezialisten zweifellos bereits fest in sein
Wirkungskonzept integriert. Und in dieser Weise wurde nun natürlich nicht nur
über eine reale Kulturentwicklung der DDR, sondern eben auch darüber, wer nun
wohl demnächstens das Sagen zu diesen Dingen in den Medien und den
organisatorischen Strukturen des entsprechenden musikfolkloristischen
Kulturbetriebes haben wird, informiert. Und was in dieser Gesprächsrunde wohl
auch völlig klar sein musste, war dabei, dass nun natürlich weder mein Name,
noch die Namen bestimmter, mit meiner Person zusammenhängender
Musikinstrumenten-Selbstbau-Aktivitäten sowie bestimmter Dudelsackentwicklungen
zu erwähnen seien. Man bedenke hier insbesondere einen dort redegewandt
agierenden Jo Maier, welcher doch zuvor mit diesen Instrumenten nur in Form der
verschiedensten zunächst doch nur von mir hergestellten Schalmeien, innerhalb
doch höchst mühseliger und langwieriger Unterweisungen meinerseits, und ebenso
auch erst innerhalb einer durchaus länger währenden Mitgliedschaft bei der
Gruppe Windbeutel, bekannt geworden war und dann auch sehr langwierig innerhalb
der stets aufwändigen Probenaktivitäten dieser Gruppe mit den besonderen
Schwierigkeiten des dazugehörigen musikantischen Umgangs vertraut gemacht
werden musste, nun als professoral präsentierter, kompetenter Fachmann und
profilierter Schalmeienbläser, völlig vorbei an ganz einfachen Tatsachen und
Wahrheiten, in derartig manipulierter Abhängigkeit von einem sich sehr
fachkundig, aber vor allem doch offenbar auch sehr einflussreich und mächtig
gebendem Folkloreprofessor, derartige Folklorelegenden zu seiner Person, aber
eben auch zu Gefallen des hier in ganz bestimmter Weise agierenden
Gesprächsführers, zum Besten gibt. Und dabei ließ er dann auch seine Kennerschaft
zu verschiedenen anderen in der Folkloreszene selbstgebauten
Volksmusikinstrumenten (die ihm, bezüglich aller damals dort von Stockmann
speziell befragter Instrumentalbeispiele zunächst zweifellos nur von seinen
Windbeutelerfahrungen, bezüglich der dort von mir hergestellten und erprobten
Instrumente her, bekannt waren) in gleichem „selfmade man“ Lichte erscheinen.
In einer solchen
Gesprächsrunde, die von Stockmann doch offensichtlich im Geiste einer ganz
bestimmten Verhaltenserwartung zusammengestellt und entsprechend konzipiert
war, hat damals Klaus Stecker immerhin doch an einer Stelle ein abweichendes
Verhalten gezeigt und einfach einmal kurz darauf hingewiesen, dass er aber doch
eigentlich erst von Bernd Eichler auf die besondere Problematik der Herstellung
konischer Schalmeien aufmerksam gemacht worden sei…
Vielleicht hängt es
auch mit derartigen, damals schließlich doch so unterschiedlichen
Verhaltensweisen zusammen, dass der zunächst mitauserkorene Klaus Stecker dann
wohl nie mehr von Stockmann zu solchen Rundfunkgesprächen angefordert wurde,
fortan aber Jo Maier immer wieder als authentischer und fachkundiger
Musikfolklorist und auch als quasi-wissenschaftlicher Gesprächspartner für Gespräche
im Rundfunk zur Verfügung stand und letztlich auch bis in die Gegenwart hinein
als spezieller Musikfolklore – Fachmann in diesem Medium zu vernehmen ist. Ich
kann mir nun nicht verkneifen, dabei neben der bis in die Gegenwart reichenden
Verbreitung eitler Selbstdarstellungsunwahrheiten, die ganz deutlich auch bis
in die entsprechenden Darstellungen zur DDR-Geschichte der neueren
Musikfolklorebewegung seitens bestimmter, in Leipzig oder auch Rudolstadt
journalistisch wirkender Akteure reichen, dabei immer wieder auch bestimmte,
aus meiner Sicht durchaus charakteristische Lächerlichkeiten, zu vermerken. So
etwa die innerhalb dieses ersten „Musikfolklore-Rundfunkgesprächs“ von Maier
und Stockmann wortreich dargelegte „aktuelle Folkloreerkenntnis“, dass wohl
doch in der DDR bislang die „folkloristische Technik des Spannens und
Einstimmens“ der irischen Rahmentrommel durch eine offene Flamme „weniger bekannt“
sei, und Stockmann dann, nachdem er doch nun allen Folkloristen übers Radio bekannt
geben hat, wie es traditionell richtig gemacht werden müsse, über seine Vision
spricht, „das nun im ganzen Lande die Lagerfeuer aufleuchten werden“ um diese
allseits beliebten Trommeln auch allerortens richtig zu behandeln.
Eine weitere, mir
auch wieder in anderer Weise lächerlich erscheinende ’Vision’ wurde dann viele
Jahre später, wiederum in einem Rundfunkgespräch zwischen dem nun immer wieder
als Musikjournalist angekündigten Jo Maier und dem gerade wieder frisch in ein
wiederum neueres, repräsentatives Musikfolklore-Gremium berufenen
Folkloreprofessor vorgestellt. Nun fragte Jo Maier seinen Gesprächspartner aus
diesem Anlass, was er sich denn wohl gedacht hätte, wenn er etwa nicht in
dieses Gremium berufen worden wäre, und dieser machte sofort deutlich, wie sehr
er sich da aber doch hätte wundern müssen, wenn etwa tatsächlich geglaubt
worden wäre, dass man in derartigen Musikfolkloreangelegenheiten auf ihn hätte
verzichten können...
Ich bin geneigt, hier
nicht nur Lächerlichkeit in Hinsicht auf die Frage „Welcher Gärtner denn hier
wohl welchen Bock zu jeweils was wohl gemacht haben wird?“, sondern auch mit
Blick auf die Frage, was manche Menschen unter dem Einfluss ihrer Eitelkeiten
und anderer eitler Mitakteure, zuweilen auch aus sich selbst machen, zu
vermerken. Denn sicherlich hatte Stockmann es nun auch dem stets umtriebigen Jo
Maier zu verdanken, dass er natürlich umgehend in ein von diesem mit determiniertes,
honoriges Folkloregremium berufen wurde, wie ebenso Jo Maier es seinem (schon
zum Zeitpunkt der ersten geschilderten „Vision“ immer nur noch mit ’Erich’
angesprochenen) Freund Stockmann zu verdanken hat, dass ihm dieser nun auch
(geradezu umgekehrt wie vormals) als ein im Rundfunk zu befragender,
bedeutungsvoller Gesprächspartner zur Verfügung stehen kann.
Dass meiner Erfahrung
nach beide Charaktere durchaus über eine vergleichsweise ähnlich hohe
Intrigenbegabung verfügten, ist angesichts solcher, ansonsten eigentlich nicht
unbedingt ungewöhnlicher Mechanismen eines sich entsprechend ergänzenden
Zusammenwirkens, letztlich doch ganz unterschiedlicher Persönlichkeiten, in
diesem Falle aber doch wohl eher zufällig. Es war dabei aber sicherlich auch von
Fall zu Fall umso effektiver.
(10)
In der gleichen
Werkstatt (aus der allerdings dann die wertvolleren Maschinen bereits entfernt
worden waren) konnte ich viele Jahre später, als „Langzeitarbeitsloser“, immer
wieder bestimmte Experimente für meine dort jahrelang in dem dazugehörigen
Vorlesungssaal stattfindenden Experimentalvorlesungen zur „Systematik und
Physik der Musikinstrumente“ vorbereiten.
(11)
Von diesen
Instrumenten, welche ich bereits damals mit einem kleinen, zusätzlich zu
drechselnden „trompetenschallbercherförmigen“ Schallbecheraufsatz herstellte, befinden
sich auch Belegexemplare in der nunmehrigen Musikinstrumentensammlung der
Musikhochschule des Saarlandes. Darunter auch ein etwas größeres/tieferes
„Ausnahme-Exemplar“ in F. Im Unterschied zu solchen, mit diesem speziell
anzupassendem Schallbecher auch besonders aufwändig herzustellenden und dann auch
empfindlicheren Instrumenten, bestanden die dann gezielt für den Verkauf
hergestellten Schalmeien von Klaus Stecker, stets nur aus einem konisch
ausgeriebenem Stück ohne Schallbecherausformung.
(12)
Diese und andere,
heute von mir nicht mehr benutzten Werkzeuge gehören zum Bestand meiner
Sammlung und wurden im Zusammenhang damit auch an die Musikhochschule des
Saarlandes mit übergeben.
(13)
Später, also nach
1989, nutzte ich dann auch gerne die damals dann allgemein im Musikhandel
angebotenen US-amerikanischen Kunststoff-Oboenrohre („Fibercane“ u.a.), welche
sich vor allem in Hinsicht auf Haltbarkeit und Feuchtigkeitsunempfindlichkeit
als sehr vorteilhaft erwiesen und auch immer noch sehr gut ohne Windkapsel,
also wie eine Oboe, direkt mit Lippendruck angeblasen werden können, was ich
natürlich auch gerne nutzen wollte und auch zuweilen anderen Spielern
nahegelegt habe. Diese Tongeneratoren unterschieden sich aber doch im Klang
immer wieder von den traditionellen Oboen-Rohren. Ein wieder ganz anderer Klang
ergab sich dann mit bestimmten, später von mir selbst aus den im Text erwähnten
Kunststoff-Spezialmaterialien hergestellten Tongeneratoren.
(14)
Derartige Übergänge von entsprechend „in der Luft liegenden“ dumpfen
Stimmungen und Meinungen vieler Einzelner und demgemäß zunächst auch nur
unkoordiniert faschistoid eingefärbter Verhaltensweisen, zu den dann letztlich
solche Stimmungen auch aktiv aufnehmenden Verhaltensweisen von bestimmten
offiziellen Funktionären und sonstigen institutionsabhängigen
Verantwortungsträgern, die sich dann gegen die nun als die „eigentlichen Unruhestifter“
diffamierten richteten, bis hin zu letztlich in gleicher Weise eingefärbten
Verfahrensweisen von entsprechenden Gremien, zeigten sich etwa seit Mitte der
achtziger Jahre innerhalb dieser Kulturverantwortlichkeitsbereiche immer
deutlicher. Entsprechende Kunstkniffe „kulturpolitischer Leitungstätigkeit“
waren bei bestimmten Verantwortungsträgern innerhalb des „Leipziger Hauses für
Kulturarbeit“ offenbar schon seit Längerem gut eingespielt, und wenn es galt,
diese dann auch virtuos in `politisch korrekter’ sowie macht- und
kulturpolitisch effektiver Weise zur Anwendung zu bringen, konnte dabei
wiederum überaus deutlich werden, dass dann zuweilen auch gerade die, die
bereits zuvor am offensichtlichsten prorassistisch-fremdenfeindlich und
faschistoid aufgetreten waren, sich nun auch als Aktivisten und nimmermüde
Akteure in der offiziell angesagten Auseinandersetzung mit den nunmehr
ausgemachten „eigentlichen Unruhestiftern und Querulanten“, wiederum besonders
hervortun konnten, so dass sie innerhalb solcher, in dieser Institution
organisierter Vorgänge „kulturpolitischer Leitungstätigkeit“, dann auch in
einer immer unverzichtbarer werdenden Weise eingebettet und auch sieghaft
positioniert werden konnten. In solchen Vorgängen, die sich damals auch ganz
unverkennbar im entsprechend gleichgesinnt beispielhaften Zusammenwirken von
bestimmten Abteilungen des ZK und des Kulturministeriums abspielten, wurden
dann natürlich auch bestimmte weitere, von all diesen Institutionen jeweils
abhängig-angeleitete Musikfolklore-Funktionäre, bis hin zu speziell
ausgewählt-auserwählten Mitgliedern bestimmter Musikfolkloregruppen, einbezogen.
So wurden alsbald auch von Angehörigen und Vertretern mancher
DDR-Institutionen nun auch Positionen und entsprechende Gefolgschaftstreue-Verhaltensweisen
vertreten und verteidigt, welche normalerweise nur Vertretern von eher
rechtskonservativen bzw. rechtsradikalen Positionen zuzuordnen waren; - wobei
diese ihrerseits bislang freilich stets unzweifelhaft sowohl zu den Feinden der
DDR, als auch aller entsprechenden (nun aber auch mit ganz anderen Akzenten
agierenden) DDR- Institutionen zu zählen waren. Intelligentere Rechtsradikale
konnten also auch damals schon ins effektive Nachsinnen darüber geraten, welche
neuen, kämpferisch aktiven Gesinnungsgenossen sich wohl de facto auch unter
bestimmten entsprechend „national und institutionshörig-gefolgschaftstreu“
gesinnten DDR-Kulturfunktionären finden lassen werden, und sie haben derartige
Strategien später ja auch zuweilen geschickt „ostalgisch“ ausgebaut.
Jedenfalls wurden solche, innerhalb der zunehmend zerfallenden
Verhältnisse in der DDR dann bei derartigen institutionsorientiert „gefolgschaftstreu“
gesinnten Musikfolklorefunktionären entsprechend herausgebildeten Gesinnungen
und demgemäße Argumentations- und Verhaltendweisen dann auch immer
unverhüllter, offener und nun auch wie pure Selbstverständlichkeiten aktiv
gehandhabt und gelebt, und so im Weiteren auch mit geradezu unaufhaltbar hoher
„wendegewinnlerischer“ Energie, und zuweilen auch auf der Basis eines nun
deutlich „erweiterten“ und demonstrativ deklarierten, ’neuen
Freiheitsbewusstseins’, geradezu hemmungslos zelebriert. Ein
Freiheitsbewusstsein welches freilich - zumal in diesen Übergangszeiten - nur
allzu oft auch mit der entsprechend zeitgemäß erweiterten Einschränkung (oder
eben auch „Befreitheit“) von bisherigen Selbstverständlichkeiten bzw. Normal-Verbindlichkeiten
hinsichtlich allereinfachster Anstands- und Rechtsbewusstseins-Gepflogenheiten
einherging, und sich so innerhalb entsprechend vorstrukturierter Zusammenhänge
dann auch wieder als besonders aufnahmefähig für weitere faschistoide
Einfärbungen gestalten konnte.
(15)
In diesem
Zusammenhang kann es, rückblickend bedacht, ausgesprochen aufschlussreich sein,
dass beispielsweise Jack Mitchell niemals zu irgendeiner dieser seitens des
Leipziger Zentralhauses bzw. der dortiger ZAG organisierten
Folklorewerkstätten eingeladen worden ist. Ich hatte dies dort, sowohl in der
Zeit als ich noch ZAG-Vorsitzender war, als auch danach, immer wieder
entsprechend vorgeschlagen und Jack hätte sowohl als Einzelperson, als auch mit
seiner stets bestehenden allerersten Gruppe „Larkin“ sowie auch mit jeweils
anderen aktuellen Formationen, die sich immer wieder um ihn gebildet hatten, eingeladen
werden können. Ich selbst war dabei aber, im Zusammenhang mit „Jack &
Genossen“, wiederum insofern in einer „Konflikt-Position“, als dass ich mich
ansonsten doch immer heftig dafür eingesetzt habe, gerade in Bezug auf die
entsprechende Einladungspolitik zu solchen Ereignissen, endlich auch andere,
also sowohl objektivere, als auch demokratischere Modalitäten zu finden und
festzulegen, als immer wieder nur – was dort letztlich üblich war – nur auf
Grund von bestimmten Beziehungen oder auch persönlichen Bekanntschaften und
Vorlieben mehr oder weniger willkürliche Einladungen von „oben her“
auszusprechen. Was Jack betrifft, so erhoffte ich mir damals auch etwas
Unterstützung durch Bob Lumer von der Gruppe Bordun, der zuvor auch (eben als
ein in der DDR lebender US-Amerikaner) oft mit Jack zusammen aufgetreten war.
Bob Lumer hat dann allerdings auf eine sehr aufschlussreiche Weise reagiert.
Er, der sich auch selbst immer wieder gerne und demonstrativ als „einen
unverbesserlichen Opportunisten“ bezeichnete, hat damals etwas, auch genau in
diesem Sinne, sehr Zutreffendes gesagt. Er meinte: „Das hat Jack nun davon,
dass er sich mit Jürgen Wolf streiten musste, - nun wird er auch nicht zu den
Leipziger Folklore-Werkstätten eingeladen“.
Natürlich wäre es
unzutreffend, damit zu unterstellen, dass vielleicht allein Jürgen Wolf (so
unzweifelhaft dieser das hier auch sicherlich gerne getan hätte) immer genau
bestimmen konnte, wer nicht eingeladen wird. Aber es gab eben auch
übergreifende, dem persönlichen Willen dieser „Führerpersönlichkeit der
DDR-Folklorebewegung“ überlagerte, umfassendere Tendenzen,
nach denen genau solche Folkmusiker wie Jack, eben auch auf Grund derartiger,
scheinbar nur „persönlicher Meinungsverschiedenheiten“, nicht zu dieser
„Folk-Family“ zu gehören haben und sich dieser „Family-Gedanke“ dabei auch
immer wieder an „Führerpersönlichkeiten“ aufrichten und hochranken konnte. So
unverständlich und irrational eine solche Lage nun vielleicht heute auch
anmuten mag – und genuin faschistisches „Folk- und Volks-Gemeinschafts-Denken“
ist schließlich seinem Wesen nach letztlich immer irrational - so kann doch
aber vielleicht die Verdeutlichung der Substanz von damit zusammenhängenden
Streitpositionen und grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten doch dienlich
für ein besseres Verständnis der entsprechenden realen Verhältnisse, aus denen
sie entspringen, sein. In diesem Sinne möchte ich also sowohl auf die Jack
betreffende Streitkonstellation, als auch auf die ZAG-bezüglichen
Meinungsunterschiede zu bestimmten Einladungsmodalitäten eingehen und mich
insofern zu diesen beiden Streitfragen hinsichtlich ihrer „eigentlichen
Substanz“ äußern.
Was Jack und Jürgen
Wolf betrifft, so weiss ich sicherlich nicht über alle entsprechend möglichen
Streitpunkte Bescheid, entsinne mich aber an einen, der mir nicht unwesentlich
erscheint und der auch mich betrifft.
Als Jack, der sich
zunächst in einem recht freundlichen Verhältnis zu Jürgen Wolf befand, später
die ersten Folkländer-Auftritte erlebte, war er offensichtlich entsetzt und
sprach später immer wieder mit mir darüber, dass er sich nun viel besser
vorstellen kann, in welcher Weise die Deutschen wohl mit ihren Volksliedern
innerhalb ihrer spezifischen Kultur des „Kommers-Singens“ schlagender
Verbindungen umgegangen sein mögen. Und er war - da er dies noch nie so erlebt
hatte - erstaunt und beunruhigt darüber, dass einige von diesen Deutschen es nun
wohl wieder so tun möchten. Wer Jack kannte, weiss, dass er zuweilen dazu
neigte, derartige Bedenken auch in zugespitzt provokanter Weise öffentlich zu
äußern. Ich weiss allerdings nicht, wie weit er in diesem Punkte jemals
öffentlich gegangen ist. Wer nun mich kennt, wird nicht überrascht sein, nun
auch vernehmen zu können, in welcher Weise ich damals ihm gegenüber reagierte.
Ich habe Jack sofort zustimmen müssen, dass mir da ebenfalls (und so dann
meine, von mir auch später dazu immer wieder gerne benutzten Worte) „die
intensive Pflege bestimmter Elemente des nationalen Unkulturerbes der
Deutschen“ auffällt. Ich wollte dies aber, neben vielen anderen dabei
entsprechend zu vermerkenden typischen Verhaltensweisen, immer auch an ganz
bestimmten Liedern und Liedinterpretationen festmachen und es keinesfalls
irgendwie als ein sinnvolles Pauschalurteil über bestimmte Strömungen und
Tendenzen der neueren Musikfolklorebewegung in der DDR gelten lassen. Um dies
nun weiter zu verdeutlichen, möchte ich nicht mehr über Jacks Haltungen – wo
meine Erinnerung mich ja auch trügen kann - ,sondern lieber über meine
Haltung anhand eines konkreten Liedbeispiels sprechen, und habe mir dabei auch
weniger Sorgen um mögliche Trughaftigkeiten meines Erinnerungsvermögens zu
machen, da ich mich nun auf ein damals sehr ausführliches Gespräch mit dem
Journalisten Wolfgang Leyn beziehen kann. Mit ihm debattierte ich damals immer
wieder über viele Aspekte der Neofolkloreentwicklung in der DDR und lernte
dabei einen besonders bornierten Folkländer und später dann auch einen
besonders üblen Journalisten kennen. So stritt ich mich damals mit ihm auch oft
über die Bedeutung der Beschäftigung mit osteuropäischer Folklore, insbesondere
in Hinsicht auf unsere slawischen Nachbarn, - eine Angelegenheit, über die aber
alsbald in der damaligen Folk-Szene auch abfällige Witze über mein
entsprechendes Engagement gerissen wurden. Allerdings hatten wir uns bei „Jack
& Genossen“ bereits intensiver mit böhmischer und sorbischer Folklore
befasst, wobei dann eine Zeit lang auch der große Band von L.Haupt und
J.E.Schmaler für uns wichtiger war als die beiden Bände von L.Erk und F.Böhme.
Und bei der Gruppe „Windbeutel“ waren dann natürlich neben anderen
osteuropäischen Liedern ebenfalls immer wieder sorbische sowie böhmische, und
dabei insbesondere auch wieder deutsch-slawisch tradierte egerländer Lieder und
Tänze im Programm – eine Tatsache, die durchaus einen sehr deutlichen
Unterschied zu den ganz anders ausgerichteten Aktivitäten und Vorlieben der
meisten anderen Neofolk-Gruppen der DDR darstellte. Und in dieser Situation
traten nun die Folkländer plötzlich mit dem sorbischen Lied „Gib mir noch ein
Ei’chen…“ auf.
Ein Lied, welches ich
allerdings schon verschiedentlich als Dudelsack-Mitwirkender in einer
sorbischen Folkloregruppe (Judahej) kennen gelernt hatte und also auch wusste,
um was es da geht.
Und so musste ich
diese „Folkländer-Aufführung“ dann auch als ganz entsetzlich empfinden.
Ein lauthals mit
seiner durchdringenden Stimme nach Eiern schreiender Jürgen Wolf, der sich
dabei heftig holprig mit dem Tenorbanjo begleitete und ganz offenbar überhaupt
nicht wusste, über was er da eigentlich singt, dabei aber sicher wissen konnte,
dass genau diese Art von Folkländer-Singetum ihm nun sogleich den gebührend
tosenden Beifall eines im damaligen HdJT versammelten Fan-Publikums einbringen
wird. Was ja dann auch von mir und Wolfgang Leyn gemeinsam miterlebt werden
konnte. Nachdem ich nun versucht hatte, mit Wolfgang Leyn darüber zu sprechen,
welche ungeheuren Unterschiede doch zuweilen deutlich werden können, wenn man
sich mit einem solchen Lied und der spezifischen Kultur, aus der es kommt,
ernsthaft beschäftigt und dann vielleicht auch verstehen kann, dass dies kein
Lied für stumpf grölende Männer, sondern eher für zart singende pfiffige Frauen
ist, die hier mittels der Möglichkeiten eines religiös-ethnisch tradierten
Rituals auch ihre nur wenig verschleierten Vorlieben nach ganz irdischem
Verhalten in raffinierter Weise besingen. Ein Verhalten, bei welchem eben doch
besser „zwei Eier“ und nicht nur „ein Ei’chen“ (so wie eben im Text dieses
Liedes verdeutlicht) erforderlich sind. Und man dann auch vergleichend dazu
bedenken kann, in welcher doch ganz anderen Weise der letztlich gleiche
Verhaltenswunsch wiederum im deutschen Volkslied zuweilen besungen wird, wo
eben viel eher von grob rumpelndem und krachendem Sexualverhalten sowie von
knallenden Jungfernhäutchen berichtet wird, - was den Folkländern ja gewiss aus
ihrer Singepraxis in beifallssicherer Weise geläufig sein wird. Und in dieser
vergleichenden Diskussion habe ich dann auch wieder genau das gesagt, was ich
bereits gegenüber Jack Mitchell als eine bemerkenswerte neue Dimension lebendig
verwalteten „deutschen Unkulturerbes“ innerhalb der neueren Folkloreszene der
DDR eingestehen musste, und dabei dann auch den Vergleich zu einem in gleicher
Weise hirn- und herzlosem Kommers-Singekult innerhalb deutscher Geschichte
gezogen. Und ich denke, dass damit wohl auch damals schon deutlich werden
musste, dass auch ich wohl kaum jemals richtig zu dieser Art von „Folk-Family“
gehören könne. Allerdings war dieser „Family–Kult“ damals noch keineswegs so
entwickelt, dass er mir etwa schon als besonders bedenklich aufgefallen wäre.
Vielleicht entwickelte er sich in seinen bedenklicheren Formen auch erst als
dann folgender Distanzierungs- und später auch Ausgrenzungs-Prozess gegen Menschen
wie mich. Wäre er mir bereits damals in seinen späteren
Zuspitzungsmöglichkeiten bewusst gewesen, so hätte ich auch ganz sicher schon
in dieser Diskussion mit Wolfgang Leyn dabei den auch insofern zur
’Kommers-Gesangs-Kultur’ nahe liegenden Vergleich mit den entsprechenden „elitären
Gemeinschaftstreue- und Sonderstatus-Bewusstseinsformen solcher, unter sicherer
Führerschaft befindlicher Volksliedpflegevereinigungen“ ins Gespräch gebracht.
Um mich nun aber in einer so strukturierten Polemik auch umfassender zu meinen
diesbezüglichen Erinnerungen zu äußern, muss ich anmerken, dass dieser Umgang
mit einem sorbischen Lied – welchen ich hier ja bereits im Zusammenhang mit den
Schimpfworten „herz- und hirnlos“ sowie “entsetzlich“ geschildert habe -
keineswegs mein schlimmstes Folkländererlebnis beinhaltet. Mich belasten da
ganz andere Erinnerungen, welche dann auch den entsprechenden Folkländerumgang mit
„deutschem Volksliedgut“ betreffen. Dabei muss ich an eine entsprechende
Begegnung, die mir vor vielen Jahren in Poznan, anlässlich dortiger
DDR-Kulturtage, widerfahren ist, denken.
Dort war ich damals als
Mitglied einer von der DDR delegierten Jazzformation (Tower Jazz Band Berlin) beteiligt
und wir hatten verschiedene Auftritte vor einem überaus freundlichen Publikum.
In dieser DDR-Kulturdelegation tauchten dann aber auch, für mich ganz
überraschend, die „Folkländer“ auf, welche damals bereits viel Grund hatten,
sich als „Starensemble der DDR - Folkmusik“ zu empfinden und auch dementsprechend
hofiert und präsentiert wurden. Einen ihrer dortigen Auftritte konnte ich nun
miterleben, da dieser unmittelbar nach einem unserer Auftritte stattfand. Ich
stand also dann inmitten vieler polnischer Zuhörer an der Seite des überfüllten
Konzertsaales und erlebte, wie Jürgen Wolf - irgendwie mit dem notorischen
Gestus des „schlechtgelaunten Künstlers“, aber mit ganz ähnlichem
musikalisch-derben Folkländergestus wie bei dem geschilderten sorbischen Lied
- nun „Es, es, es und es…“ zu singen begann.
Es ist immer noch
eine überaus belastende Erinnerung für mich, wie sich dabei dann die Gesichter
zweier älterer polnischer Männer neben mir versteinerten und dann auch mehrere
Polen in meiner Nähe begannen sich abzuwenden und erregt zu tuscheln. Wir sind
damals den Folkländern nicht mehr begegnet, aber mit den polnischen Betreuern
unseres Ensembles konnte ich natürlich über dieses ambivalente Ereignis
sprechen und sie äußerten ihre entsprechenden Sorgen folgendermaßen: Man
sollte den deutschen Freunden vielleicht empfehlen, bei Volksmusikauftritten im
Ausland doch eher Instrumentalstücke vorzustellen, da dann auch weniger
Missverständnisse auftreten würden, obwohl natürlich hier in Poznan auch viele
Zuhörer die deutschen Texte verstehen würden, aber manche eben doch auch vieles
falsch verstehen könnten usw…Fast so, als ob etwa sie sich hier für das
polnische Publikum zu entschuldigen hätten. Dabei wurde mir natürlich
zugestimmt, als ich bemerkte, dass sicherlich in diesem Publikum auch Menschen
waren, die dieses deutsche Lied bereits kannten. Und diese Menschen werden es
auch wohl kaum – zumal in dieser „Folkländer-Vorstellung“, als die
Repräsentation eines „sozialkritischen Liedes demokratischen Inhalts“ oder
einfach nur als Wanderlied munterer deutscher Handwerksgesellen, welche – stets
zu derben Scherzen aufgelegt - dabei auch mal ihrem Meister des Nachts „etwas
Warmes Weiches“ auf den Türenknauf packen wollen, verstehen und akzeptieren
können. Sie haben es vielleicht eher als entsprechend derbes deutsches
Marschlied aus den Mündern von deutschen Soldaten und SS-Männern in Erinnerung.
Hier lässt sich nun
leicht sagen, dass dies alles eben in Poznan vielleicht „dumm gelaufen ist“ –
das war ja auch im Ausland.
Der springende Punkt
für mich war hier aber, dass Gleiches auch im Inland ablief und dort eben auch
noch „viel dümmer laufen“ konnte.
Die
bemerkenswertesten Triumphe kulturlos-dummen Verhaltens seitens bestimmter,
demonstrativ derb agierender Folk-Musikanten sowie seitens bestimmter Teile eines
entsprechend eingestimmten „Deutsch-Folk“-Publikums, lassen sich da vermerken,
wo die nur noch vorgeschobene, aber in dieser Weise eben auch oft umso
demonstrativere Hervorhebung und immer wieder plakatierte Betonung des
„sozialkritischen Aspektes“ bestimmter Lieder, dann in scheindemokratischer und
durchaus erkennbar verlogener Art und Weise lediglich im Sinne der Steigerung
eines letztlich eben auch tendenziell faschistoiden Gemeinschaftsgefühls
funktionalisiert wird, welches dann auch das rauschhaft gemeinsame Bejubeln und
Beklatschen von bestimmten, in spezifisch deutscher Weise tradierten Derbheiten,
um so sicherer ablaufen lässt.
Wenn ich nun heute, im
wiederholenden Reflektieren über derartige Zusammenhänge, etwa auch die
nunmehrigen Statements von Jürgen Wolf zu W.Steinitz bedenke, so wäre es zu
trivial, darauf zu verweisen, dass damit doch nun bestimmte Verlogenheiten des
Folkländeragierens in der DDR offensichtlich werden. Die entsprechend
ausgeprägte Kultur von spezifischen Verlogenheiten war schließlich schon zu
DDR-Zeiten unübersehbar und ich hatte mich dazu ja auch schon damals
verschiedentlich, so auch auf einer entsprechenden Folklorewerkstatt in
Leipzig, innerhalb meiner Polemik gegen einen damals groß aufgemacht-präsentierten
Folklore-Vortrag von Prof. Stockmann, entsprechend öffentlich geäußert. Im
Hintergrund solcher bereits damals erkennbarer Tendenzen steht aber zweifellos
mehr als nur der verlogene, hirn- und herzlose Umgang mit „sozialkritischem
deutschem Liedgut“.
Freilich kann man
dies alles nun auch als „Geschmacksfragen“ oder lediglich subjektiv
begründete, unterschiedliche Sichtweisen abtun, und ich habe ja hier – zu
dieser ersten „Substanzfrage“ - auch nur entsprechende subjektive
Streitpositionen und Erfahrungen von Jack und mir resümiert.
Das sieht nun
hinsichtlich der zweiten „Substanzfrage“ ganz anders aus.
Hier ging es mir um
grundsätzliche Probleme einer demokratisch zu organisierenden Weiterentwicklung
der neueren Folkloreinitiativen in der DDR. Also Dinge, die sich nicht einfach
als „Geschmacksfragen“ abtun lassen. Dazu vertrat ich als ZAG-Vorsitzender die
Meinung, dass grundsätzlich jede entsprechend interessierte Musikfolkloregruppe
der DDR das Recht haben müsse, sich offiziell zur Teilnahme an einer solchen
Werkstatt zu bewerben, auch ohne zuvor durch irgendwelche offiziellen Instanzen
geprüft worden zu sein. Und ich setzte mich damit im Zusammenhang dafür ein,
dass in diesen Entwicklungen nun aber auch die jeweils offiziell zuständigen
Instanzen und Kultureinrichtungen, also etwa die entsprechenden
„Bezirksfolklorekabinette“ verpflichtet, und intensiv angehalten werden
müssten, jeweils auch entsprechende Vorschläge zur Delegierung bestimmter
Gruppen aus ihren Bereichen vorzulegen und zu begründen. Und erst von daher
sollte die ZAG und das Leipziger Zentralhaus dann, entsprechend der für jede
Folk-Werkstatt vorzubereitenden inhaltlichen Konzeption, aus all diesen
Bewerbungen und „Delegierungen“ diesbezüglich einzuladende Gruppen auswählen
können. Mit dieser Auffassung traf ich aber sowohl innerhalb der ZAG und dem
Zentralhaus, als auch gegenüber dem Kulturministerium immer wieder auf
erheblichen Widerstand. Die „führergeführten“ Kräfte in der ZAG strebten eher
danach, solche Fragen nun nur seitens ihres doch nun „vom Staat ermächtigten“
Gremiums ganz souverän, von oben her entscheiden zu können und wurden dabei in
einer für mich zunächst doch überraschenden Weise auch immer wieder durch das
Verhalten seitens des Kulturministeriums bestärkt. Es wurde immer deutlicher,
dass man dort nicht nur kein Interesse hatte, jedem Musikfolkloristen des
Landes gleiche Rechte zuzuerkennen (und es insofern dann letztlich auch mit
einer vielleicht nur noch schwer zu reglementierenden Vielzahl von demokratisch
aktiven Interessenten zu tun haben könnte) sondern man wollte wohl eher darauf
vertrauen, alle diese inzwischen unübersehbaren Interessenten und neu
entstehenden Folk-Initiativen doch besser mittels einer Handvoll von nun
„ausgewählt-ermächtigten“ ZAG-Musikfolkloristen lieber nicht zur Geltung kommen
zu lassen und dafür in Richtung der Auserwählten dann auch bestimmte weitere
Sonder-Privilegien in Aussicht zu stellen. Immer, wenn Jürgen Wolf wieder
einmal die Frage stellte: „Aber welche Macht hat denn nun die ZAG?“ wurde
seitens des Ministeriums nicht etwa darüber gesprochen, welcher Verantwortung
ein solches Gremium etwa im Sinne der Gesetze der DDR doch eigentlich innerhalb
der Kulturentwicklung dieses Landes gerecht werden müsse, sondern immer wieder
vielschichtig angedeutet, dass höhererseits bereits darüber nachgedacht werde,
diese „Macht“ (sowie entsprechende Sonderprivilegien) künftig auch zu
erweitern. Und im Wirkungsbereich einer solchen, bereits weitgehend ungehemmten
Kulturlosigkeit von pervertierter „Kulturpolitik“, die sowohl ihre jeweilige
Realisierung „im Kleinen“ als auch ihre dann „im Großen“ erfolgende Eskalation
eben auch immer wieder der Vielzahl von perfiden „Kunstgriffen“ aus dem
Erfahrungsschatz „kulturpolitischer Leitungstätigkeit“ des Leipziger Zentralhauses
zu verdanken hat, kann sich dann auch die Eskalation bestimmter deutlich
faschistoider Tendenzen keineswegs nur als „irrationaler“ oder
„unverständlicher“ Vorgang, sondern eher als eine ihrer möglichen Konsequenzen
innerhalb politischer Realität erweisen.
(16)
Als ein besonders
deutliches, aber eben auch in mehrfacher Hinsicht entlarvendes Beispiel für
einen solchen „Übernahmevorgang“ kann in diesem Zusammenhang vielleicht der
Blick auf die besonders aufschlussreiche Entwicklungslinie gelten, die sich von
der Entstehung der „Deutschen Dudelsackbrüderschaft der DDR“ bis zum Untergang
der dann in den Dokumenten des Zentralhauses immer nur noch als „Arbeitsgruppe
Historische Musikinstrumente“ bezeichneten Einrichtung ziehen lässt.
Ich denke dazu, dass
es wohl keine übertriebene Annahme ist, dass meine Initiativen im Zusammenhang
mit dieser Dudelsack-Interessentenvereinigung, angefangen von deren Gründung
bis hin zu DDR-weiten Dudelsackinteressententreffen sowie weiteren permanenten
„Dudelsackberatungen“ in verschiedenen kleineren Interessentengremien und auch
der ständige Erfahrungsaustausch bezüglich erster Selbstherstellungsinitiativen
sowie einer dann auch sehr intensiven und letztlich auch überaus wirksamen
Öffentlichkeitsarbeit in Richtung auf die Medien und die verschiedensten
Kulturinstitutionen in der DDR, ein wesentlicher Grund dafür war, dass ich dann
zum Vorsitzenden dieser vom Staat damals eingerichteten „Zentralen
Arbeitsgemeinschaft für Musikfolklore der DDR“ berufen wurde. Im Zusammenhang
mit dieser Berufung war dann auch völlig klar, dass damit nun endlich auch
die Möglichkeit gegeben ist, derartige neuere Initiativen zur Beschäftigung mit
folkloristischen Musikinstrumenten, jetzt auch mit staatlicher Unterstützung,
im Zusammenhang mit dieser von mir zu leitenden ZAG fortzuführen. Ich machte
also dann auch auf einer der ersten, damals noch von mir geleiteten Sitzungen
dieser ZAG den Vorschlag, eine entsprechende
ZAG-Arbeitsgruppe „Musikfolkloristisches Instrumentarium“ zu gründen und
erläuterte dabei die einzelnen Punkte der von mir dazu vorgelegten Konzeption.
Darin wurde, neben der Nennung bestimmter, zunächst aus meiner Sicht wichtiger,
in dieser neu entstandenen Neo-Folk-Szene inzwischen benutzter sowie
zunehmend erstrebter Musikinstrumente, auch ausdrücklich die landesweite
Organisation von Musikinstrumenten-Selbstbau-Lehrgängen genannt. Wesentlich war
mir dabei auch, dass in einem solchen Gremium keinesfalls nur vom Staat
berufene ZAG-Mitglieder, sondern vornehmlich fachlich qualifizierte und
musikantisch aktive Interessenten im Sinne der jeweils konkreten Unterstützung
lebendigen folkloristischen Musikantentums mitarbeiten sollten und es dabei
letztlich auch nicht nur um Musikinstrumente, sondern, im Sinne einer umfassenden
ZAG-Arbeit, auch um weiteres, für aktive Musikfolkloristen wichtiges Equipment
zu gehen hat.
Für die Leitung
dieser Arbeitsgruppe schlug ich natürlich Prof. Stockmann vor, der damals
gerade als neues ZAG-Mitglied berufen worden war. Er lehnte jedoch sofort mit
der Begründung ab, dass er als international wirkender Wissenschaftler völlig
überlastet mit vielen anderen Aufgaben sei. Außerdem betonte er aber, dass er
hier auch „alles ganz genau so wie Bernd Eichler es eben ausgeführt hat“ sähe,
und bemerkte zudem jovial, dass dies ja auch alles bereits so mit ihm abgesprochen
worden sei und er mich also auch für den geeigneten Leiter einer solchen
zusätzlichen „Arbeitsgruppe Instrumentarium“ innerhalb der „Zentralen
Arbeitsgruppe Musikfolklore“ vorschlagen möchte.
Das wurde dann auch
entsprechend als ZAG-Beschluß festgelegt.
Ich denke, dass
sowohl eine solche Initiative wie die von mir initiierte Dudelsackinteressengemeinschaft,
als auch dann die „Arbeitsgruppe musikfolkloristisches Instrumentarium“ jeweils
etwas unvergleichlich Neuartiges innerhalb des Kulturbetriebes der DDR war.
Eine Errungenschaft, welche aber nun, in dieser letztlich doch fatalen
Anbindung an diese staatliche Kultureinrichtung in Leipzig, auch wieder
gefährdet war, - was damals freilich nicht abzusehen war.
Rückblickend meine
ich, dass man dazu zwei Gefährdungen aus unterschiedlichen Richtungen, - also
zwei sehr deutliche „Eingriffsinitiativen“ unterscheiden kann.
Einerseits seitens
des „offiziellen“ Wissenschaftsbetriebes in der Form von immer wieder höchst
perfide eingefädelten und wohl wesentlich persönlich betriebenen Einwirkungen,
Fehlinformationen und Interventionen von Prof. Stockmann, hinsichtlich derer
mir allerdings nie ganz klar werden konnte, inwieweit sich da jeweils der
Staatsapparat eines Prof. Stockmanns bediente, oder doch eher Stockmann sich
wieder mal, in der ihm ganz eigenen Art, den Staatsapparat, auch entgegen oder
außerhalb dessen eigentlicher Ambitionen, zu Nutzen machte.
Im Zusammenhang mit
dieser spezifischen Art von Stockmannschem „Wissenschaftswirken“ habe ich
bereits verschiedentlich von einem „Kriminalfall“ der Wissenschaftsgeschichte
gesprochen, dessen Einwirkungen hier der Vollständigkeit halber erwähnt, aber
doch nicht in allen Aspekten detailliert behandelt und erläutert werden müssen.
Ich denke, dass für die destruktiveren Tendenzen dieser Entwicklung doch vor
allem bestimmte Initiativen und Eingriffe des Staatsapparates (die hier aber wohl
auch nie ganz frei von Stockmannschen Einflüssen waren) bedacht werden müssen.
Dazu muss ich
zunächst wieder meine Position bezüglich der Leitung dieser Arbeitsgruppe
deutlich machen.
Nachdem ich zunächst
die Funktion des Vorsitzenden dieser ZAG niedergelegt hatte, stand ich alsbald
- gerade aus der Richtung um Jürgen Wolf, der ja nun de facto und de jure meine
bisherige Funktion übernehmen konnte - einer nun eskalierenden, schier
endlosen, oft auch überaus kleinkrämerisch hinterhältigen
„Dauerstreit-Situation“ gegenüber, zu der ich noch heute annehmen muss, dass
diese eben auch im Zusammenhang mit entsprechenden „Signalsetzungen“ seitens
des Zentralhauses oder auch des Ministeriums bzw. der Kulturabteilung des ZK
hin erfolgte. Ein solcher Eindruck musste sich für mich damals auch insofern
bestärken, als ich nun auch entsprechende vorherige „Zuspitzungen“ zu bedenken
hatte. Das ist mir insbesondere im Zusammenhang mit einem besonderen Beschluss
der „ZAG-Leitung“ in Erinnerung. Alle ZAG-Sitzungen wurden zuvor von der jeweils
nur aus wenigen ZAG-Mitgliedern bestehenden „ZAG-Leitung“ vorbereitet und
entsprechend den Gepflogenheiten am Leipziger Zentralhaus, hatte dann immer der
„ZAG-Vorsitzende“ auch die Gesamt-ZAG-Sitzungen zu leiten. Dazu hatte ich
alsbald den Vorschlag unterbreitet, dass diese „Gesamtsitzungen“ doch wohl
besser zirkulierend abwechselnd von den verschiedenen Leitungsmitgliedern der
ZAG, zu denen natürlich auch der seitens des ZK’s ernannte ZAG-Parteiverantwortliche
gehörte, geleitet werden sollten. Dieser Beschluss wurde sofort einstimmig
angenommen und damals insbesondere gerade auch vom Parteiverantwortlichen Horst
Traut unterstützt. Also wurde auch eine zeitlang so verfahren. Aber es wurde
alsbald auch von den verschiedensten Seiten her polemisiert, dass “Eichler hier
wohl grüne Politik machen will und das Rotationsprinzip eingeführt hätte…“. Als
dann Horst Traut an der Reihe war, die ZAG-Sitzung zu leiten, erklärte er (an
der Seite eines dafür wohl nicht zufällig mitgebrachten Zentralhaufunktionärs)
überraschend, dass dies ganz unnormal sei, da alle anderen ZAG’s des
Zentralhauses so etwas „nicht dulden würden“ und dass der Beschluss unserer
ZAG-Leitung eben einfach „ein blöder Beschluss gewesen sei“ an den er sich nun
auch nicht halten werde. Daraufhin kam es natürlich zum Eklat mit mir, welcher
sich dann nur dadurch löste, dass ich (wie schon geschildert) zunächst meine
Funktion als Vorsitzender niederlegte. Bereits damals zeigte sich also, auf
welche Weise höhererseits eingegriffen wurde, wenn dort irgendetwas nicht
genehm war. Es wurde eben nicht argumentiert, sondern einfach intrigiert. Und dazu
konnte man im „Zentralhaus für Kulturarbeit“ offenbar immer wieder auf entsprechend
nutznießerisch gefolgschaftsgetreue Erfüllungsgehilfen zur Unterbindung von
derartigen, höhererseits „nichtgenehmen“, aber doch durchaus demokratisch
entstandenen „Ungehörigkeiten“ und „Unnormalitäten“ zurückgreifen
Ich erklärte also
alsbald auch die Beendigung meiner ZAG-Mitgliedschaft und legte damit im
Zusammenhang nun auch die Leitung der AG Instrumentarium nieder, welche – so
auch die ZAG-Festlegungen entsprechend der von mir damals vorgelegten
Konzeption – von einem ZAG-Mitglied zu leiten sei. Und damit konnte ich dann
auch meinen entsprechenden Standpunkt deutlich machen, dass an der Arbeit eines
solchen Gremiums selbstverständlich auch jeder ansonsten „nichtberufene“
DDR-Bürger teilnehmen kann. Und genau dies traf ja nun im Prinzip auch auf ein
damals erst kurz zuvor neu eingeladenes nunmehriges AG-Mitglied – den Chef
des ASMW Markneukirchen, Jochen Schmidt - zu, welcher nun auch die Funktion
eines „provisorischen Leiters der AG“ übernahm, auch ohne damals schon
ZAG-Mitglied zu sein. Ein „behördenbewährt“ erfahrener Staatsfunktionär, der
allerdings in seinem bisherigen Leben noch niemals irgendetwas mit
Musikfolklore oder etwa mit folkloristischen Musikinstrumenten zu tun hatte und
nun – wie er mir auch immer wieder dabei sagte – vor allem deswegen den engen persönlichen
Kontakt zu mir suchte, um eben auch „Musikfolklorist zu werden“. Insofern
konnte dann auch jedermann deutlich erleben, wie er damals offensichtlich stets
geneigt war, gerade mir immer wieder in meinen Meinungen zu Musikfolkloreangelegenheiten
permanent und demonstrativ zuzustimmen. Diese Situation änderte sich später
ganz deutlich, als er dann seitens des Zentralhauses fest, und dann auch
„machtbefugt“, in die Mechanismen amtlich zu lenkender
Musikfolkloreentwicklungen integriert wurde, und dort alsbald auch Aufgaben und
Aufträge erhielt, die sich unmittelbar auf mich und meine Aktivitäten bezogen
und dann auch zunehmend unverkennbar gegen bestimmte Initiativen von mir
gerichtet waren.
Aber die ersten
Anzeichen für die Richtung dieser später so deutlichen Verhaltensänderungen
hängen eben doch mit dieser Arbeitsgruppe zusammen und sind - so sehr er sich
zuvor vielleicht auch (ob nun auf eigene oder fremde Initiative bzw.
„Anleitung“ hin) verstellt haben mag, letztlich überaus symptomatisch für die
fatalen Tendenzen damaliger kulturpolitischer Unfähigkeiten eines sich immer
weiter selbst pervertierenden Staatsapparates sowie auch eines überaus
korrupten Wissenschaftsverhaltens, welches aber aus meiner Sicht keineswegs
einfach als Konsequenz derartiger staatlicher Tendenzen oder einfach als mit
diesen „im Einklang befindlich“ verstanden werden kann.
Zunächst ging es, was
diese „ersten Anzeichen“ betrifft, um zwei bemerkenswerte Situationen, die ich
nun auch eingehender schildern und kommentieren muss:
Der Schalmeienbauer
Klaus Stecker, der natürlich seitens der ZAG schon lange als Mitglied dieser
„AG Instrumentarium“ vorgesehen und entsprechend eingeladen worden war,
überraschte uns damals mit einem Brief, in dem er (was für mich allerdings
nicht mehr überraschend war) mitteilte, kein Mitglied dieser Arbeitsgruppe werden
zu wollen und ’seinen Platz nun Roman Streisand zur Verfügung stellen möchte’…
Eine Mitgliedschaft von Roman Streisand wurde nun aber in der AG sofort von
allen – außer mir – mit Skepsis betrachtet. Und dieser Konflikt spitzte sich
dann in folgender Weise zu: Jochen Schmidt vertrat den Standpunkt, dass nicht
Klaus Stecker, sondern nur die AG bestimmen könne, ob Streisand Mitglied werden
könne, und er sei eben dagegen und darüber müsse nun beraten und abgestimmt werden.
Und ich vertrat den Standpunkt, dass nur Roman Streisand selbst bestimmen könne,
ob er hier Mitglied würde oder nicht, denn jeder aktive Interessent muss dazu
das Recht haben. Genau darin besteht doch der Sinn dieser besonderen AG, die ja
nicht als „kulturpolitisches Kontrollorgan“ oder etwa als „Gremium zur
Sicherung von Qualitätskriterien“ eingerichtet worden ist, sondern Interessen
erfassen soll, und Initiativen im Sinne der Kulturentwicklungen dieses Landes
zur Wirkung gelangen lassen soll. Und die offenbar bei Klaus Stecker
existierende Vorstellung, als ob ihm hier irgendwie seitens höherer Instanzen
eine „Position verliehen“ worden sei, die ihm dann vielleicht auch das Recht
gibt, einen solchen „Ehrenplatz“ auch anderen, die er dann auswählt, zur
Verfügung zu stellen, ist eben genau der ideologische Unsinn, der nun auch das
Bewusstsein vieler ZAG-Mitglieder beherrscht. Und fataler Weise wird gerade ein
solches zutiefst undemokratisches Denken durch das Verhalten des Zentralhauses
und des Kulturministeriums immer wieder gefördert. Ich bin in dieser Diskussion
dann auch soweit gegangen, deutlich zu erklären, dass meiner Meinung nach diese
von mir initiierte Arbeitsgruppe entsprechend der in der ZAG vorgelegten und
damals dort bestätigten Konzeption, auch überhaupt nicht das Recht haben könne,
von vornherein über mögliche Mitgliedschaften von qualifizierten
Beitrittsinteressenten „abzustimmen“. Eine solche, meiner Auffassung nach
völlig undemokratische, letztlich eher menschenverachtende Vorstellung,
entspricht genau den Anspruchsverlogenheiten, mit denen bürgerliche
Demokratiebehauptungen in der Regel politisch argumentieren und welche dann in
der politischen Realität auch ohne weiteres im Sinne der Aufrechterhaltung
(oder auch der Installierung) faschistischer Machtstrukturen effektiv genutzt
werden können. Insofern weigere ich mich auch, an einer hier vielleicht
angestrebten Abstimmung zur Mitgliedschaft von Roman Streisand überhaupt nur
teilzunehmen. Ein solches „Abstimmungs-Recht“ kann uns in dieser Arbeitsgruppe
keinesfalls zustehen. Weder „von Gott“ (wobei ich auf Hans Walz schaute, der
ja immer wieder betonte, dass er kein „Roter“, sondern ein „Schwarzer“ sei),
noch etwa „von der Regierung der DDR“ (wobei ich zu Jochen Schmidt schaute,
der in dieser Diskussion natürlich bereits von ’der politischen Verantwortung
der AG ’ gesprochen hatte). Und dann versuchte ich auch noch deutlich zu
machen, dass ich mir eine solche Abstimmung über Personen nur unter zwei
Voraussetzungen vorstellen könne. Entweder wenn schwerwiegende Anschuldigungen
gegen einen entsprechenden Interessenten vorlägen, die dann vielleicht auch
geprüft und entsprechend „abgewogen“ werden müssten, oder wenn etwa eine nicht
anders zu bewältigende Überzahl von Interessenten zu verzeichnen wäre. Und auch
da wäre doch wohl noch zu überlegen, ob darüber nun nur diese Arbeitsgruppe
alleine, oder etwa auch die ZAG zu beraten hätte… Aber beides ist ja in der
gegenwärtigen Situation nicht der Fall und also auch nicht erforderlich. Und
ich sehe meine politische Verantwortung hier in dieser Situation eben nicht
darin, über Menschen abzustimmen, sondern genau darin, einer solchen Abstimmung
bzw. den „Stimmungen“, die dahin tendieren, deutlich entgegen zu treten und
mich diesen keinesfalls zu beugen oder etwa „demokratisch unterzuordnen“. Ich würde
mich also auch in dem Falle, dass diese Arbeitsgruppe nun vielleicht hier
mehrheitlich beschließen wolle, doch eine Abstimmung zu Roman Streisand durchzuführen,
niemals einem solchen, eben seinem Wesen nach letztlich doch ganz
undemokratischen, „Mehrheitsbeschluss“ beugen. Bei Jochen Schmidt war in
dieser Diskussion hingegen ganz deutlich zu vermerken, dass er darauf abzielte,
den ihm hier vom Zentralhaus verliehenen „Leiterstatus“ machtbürokratisch zu
sichern und auszubauen.
Die zweite hier zu
schildernde Situation ergab sich, als in etwa der gleichen Zeit (ich weiss
heute nicht mehr, ob sich dies vor oder nach Klaus Steckers Brief zutrug) ganz
überraschend Andreas Michel, der zuvor als Zeitschriften-Redakteur beim
Zentralhaus gearbeitet hatte, auf diesen Arbeitsgruppensitzungen erschien und
mitteilte, dass er nun eine Dissertation über Saiteninstrumente bei Prof.
Stockmann schreibe und von diesem beauftragt sei, hier immer als Beobachter
teilzunehmen, um ihm dann darüber zu berichten, aber er solle dabei kein
Arbeitsgruppenmitglied, sondern eben nur „Beobachter und Berichterstatter“
sein. Ein Auftrag, den er also weder vom Zentralhaus, noch etwa von der ZAG,
sondern lediglich von Stockmann persönlich erhalten habe. Erstaunlicherweise
wurde dies in dieser AG sofort akzeptiert, nur eben wieder von mir nicht, weil
ich – nicht nur von meinen bisherigen üblen Erfahrungen zu entsprechenden
Vorgehensweisen von Stockmann her – fand, dass dies nun auch gerade im
Zusammenhang mit den sonstigen Leitungs- und Kontrollmethoden des
Zentralhauses eine weitere (so habe ich auch damals formuliert)
„antidemokratische Unverschämtheit“ sei. Und ich bestand darauf, dass A. Michel
selbstverständlich nur als engagiert mitwirkendes Mitglied dieser Arbeitsgruppe
immer an allen diesen Sitzungen teilnehmen könne, zumal er sich doch nun, auch
wenn ihn dies bislang nicht interessiert hat, schließlich mit
Musikinstrumenten zu befassen habe, da er doch nun beauftragt sei, eine
diesbezügliche Dissertation zu schreiben.
Letztlich war es dann
aber wohl nur A. Michel selbst, der mir dazu doch deutlich zustimmte und also
auch entsprechend Mitglied dieser AG wurde. Es ist allerdings schwer zu sagen,
ob er sich dabei auch jemals selbst zu entsprechender eigener Aktivität und
Interessiertheit durchgerungen hat oder nur weiterhin im Sinne seiner Karriere
und entsprechend zu erledigender „Beobachtungsaufträge“ verhalten hat. Weitaus
sicherer lässt sich dabei sagen, dass er wohl bereits damals schon, innerhalb
der Verhältnisse im Zentralhaus sowie auch durch das Hinnehmen derartiger
stockmannscher Beauftragungen, überaus schwerwiegenden Angriffen auf seine
Charaktersubstanz ausgesetzt war, von der ich im Weiteren dann den Eindruck
bekommen musste, dass sie diesen keineswegs standhalten konnte. Es waren dann
aber auch andere Mitglieder dieser Arbeitsgruppe vergleichbaren stockmannschen
Aktionen und Interventionen ausgesetzt. Vielleicht war aber Derartiges auch
zuvor schon geschehen, denn damals waren ja alle sofort geneigt, das
entsprechende Erscheinen von A. Michel einfach hinzunehmen und einen
entsprechenden „Auftrag“ für legitim und normal zu halten, wenn ein solcher
„Wissenschaftsgott“ wie Prof. Stockmann dahinter steht.
Jochen Schmidt hat dann
auch nach diesen Auseinandersetzungen ein sehr aufschlussreiches, machterheischendes
Verhalten gezeigt. Außerhalb dieser Arbeitsgruppe machte er sich bei manchen Musikfolkloristen
dadurch beliebt, dass er stets in der Lage war bestimmte Musikmaterialien (z.B.
Saiten oder auch andere Zubehörmaterialien die im Handel selten angeboten
wurden) zu besorgen, wobei er stets verdeutlichte, dass ihm dies eben in seiner
Funktion als Leiter des ASMW Markneukirchen möglich ist und er immer „gerne helfe
wo er könne und es nötig sei“. Innerhalb der Arbeitsgruppe aber wurde dann
unter seiner Leitung einfach immer wieder verhindert, über die dort
anstehenden Fragen zu demokratischen Verfahrensweisen und neuen
Mitgliedschaften etc. offen weiter zu diskutieren. Es wurde dann dort aber
zunehmend offener nationalistisch und letztlich auch offen
ausländerfeindlich-rassistisch - und dies offenbar auch gezielt und bewusst in
meiner Gegenwart – diskutiert, wobei der Grundtenor entsprechender
„Sorgensäußerungen“ darin bestand, immer wieder auch anklingen zu lassen, dass
sich Gemeinschaften eben auch „mit gemeinsamen Abstimmungen“ gegen Fremdes und
Störendes demokratisch schützen müssen, wenn sie nicht… usw. usf.
In solchen
Diskussionen wurde dann auch zuweilen von Hans Walz über Aids und all die
Gefahren geklagt, denen „wir und unsere Töchter“ ausgesetzt werden, wenn nun
auch vermehrt Arbeitskräfte aus Afrika in die DDR eingeflogen werden. Wobei er
sich als praktizierender Betriebsarzt beruhigt darüber äußerte, dass diese auch
sofort alle auf Aids untersucht worden sind und deren nunmehriges Wohnheim
jetzt auch nachts von der Polizei überwacht werde, - sich aber empört zeigte,
dass diese Afrikaner nun auch noch mit Forderungen nach angemesseneren Löhnen
auftraten, wo sie doch von der DDR nur für einfachste Hilfsarbeiten angefordert
worden waren…
Weitaus erregter und
auch entsprechend lautstark, äußerte sich dazu dann Jochen Schmidt, der dabei von
den Gefahren die von „sexuell unaufhaltbaren Naturtalenten aus Afrika“ zu
befürchten sind, sprach. Ich versuchte dabei, vor allem darüber zu
diskutieren, ob diese Afrikaner denn auch jeweils um ihr Einverständnis zu
solchen Aids-Tests befragt worden wären bzw. ob ihnen wenigstens gesagt worden
sei, um welche Untersuchungen es sich da jeweils handelte. Eine Frage, die auf
völliges Unverständnis stieß, wobei sogleich betont wurde, dass dies doch aber
„mit Demokratie überhaupt nichts zu tun habe“ und allen Untersuchten doch klar
sein müsse um was es da geht, denn wer Aids hat wird ja sofort von der DDR nach
Afrika zurückgeschickt…
In einer solchen Auseinandersetzung
sah ich mich dann auch einmal genötigt zu betonen, dass mich ein derartig
schlichtes Unverständnis zu grundlegenden Fragen von Menschlichkeit bei
jemandem, der ansonsten sein Christentum betont und sich auch gerne selbst als
ein „politisch Schwarzer“ bezeichnet, im höchsten Maße verwundern muss, zumal
wenn ich dabei bedenke, dass nicht weit weg von hier, beispielsweise in Bayern
(die entsprechenden Sitzungen fanden jeweils in einem Amtszimmer des ASMW in
Markneukirchen statt) „politische Schwarze“ regieren, denen ich ansonsten
zwar feindlich gegenüberstehe, die sich aber in diesem Punkt gegenüber
„hautfarbenen Schwarzen“ und anderen „Aids-Verdächtigen“ doch bereits zu
durchdachteren und letztlich auch demokratisch-menschlicheren Verhaltensweisen
durchgerungen haben.
Allerdings waren
sowohl ein derartiges „Unverständnis“, als auch noch weitaus unverhohlener
formulierte „Stimmungsäußerungen“ dieser Art nun keineswegs nur in dieser
Arbeitsgruppe anzutreffen, sondern damals auch in vielen anderen Bereichen unübersehbar.
Für die Verhältnisse um die ZAG Musikfolklore lässt sich dabei aber
grundsätzlich festhalten, dass eben gerade bestimmte, besonders profilierte
Partei- und Staatsfunktionäre entsprechend ausländerfeindlich aktiv und dann,
in der nachfolgenden Eskalation von sowohl dezent leugnenden als auch
bestätigend-unterstützenden Tendenzen und Maßnahmen, wiederum demgemäß wirksam
werden konnten und entsprechend ihrer die ZAG insgesamt beeinflussenden
Machtbefugnisse dann auch weitere Entwicklungen in der ’AG Instrumentarium’
„in die Hand nehmen konnten“.
In der ZAG
„Arbeitsgruppe Feldforschung“, welche von dem, gerade auch von Prof. Stockmann
immer wieder deutlich protegiertem SED-Parteiverantwortlichen Horst Traut
geleitet wurde, hatte die seitens des Zentralhauses für die ZAG-Musikfolklore
zuständige Kulturfunktionärin M. Maiwald unverhohlen verlauten lassen, „dass
die Vietnamesen doch hoffentlich bald wieder aus der DDR rausgeschmissen
werden“. Solche Ansichten waren nun ebenfalls keineswegs irgendwie
ungewöhnlich, aber die Art dieser Äußerung war eben doch ein „offensichtlich
ungeschicktes“ Verhalten einer verantwortlichen Kulturfunktionärin. Ein
Verhalten, welches dann also doch auch besser nicht weiter zur Sprache kommen
sollte… Allerdings ist mir, selbst im ZK der SED, bei der dortigen
Kulturverantwortlichen für Musikfolklore, dazu damals die Auffassung begegnet,
dass man „die DDR-Bürger hier verstehen .müsse, denn die Vietnamesen machen
sich hier unsere billigen Stoffpreise zunutze, um dann die Leute mit
selbstgenähten Jeans zu betrügen“ usw… Der von dieser ZK-Abteilung ernannte
ZAG-Parteiverantwortliche Horst Traut konnte sich also bei der weiteren
„stillschweigenden Unterstützung“ dieser Haltung von M. Maiwald auch ganz
sicher sein. Und Frau Maiwald wiederum konnte sich auch der entsprechenden
Unterstützung des Zentralhauses sicher sein, und auch darauf verlassen, dass
Sie nun natürlich keinerlei Schwierigkeiten, oder etwa „Konsequenzen“ zu
befürchten habe, auch wenn sie dann wohl doch ermahnt wurde, sich
zurückhaltender zu benehmen. Insoweit war zunächst auch alles „wieder in
Ordnung“, wenn nicht ich und auch Dr. Axel Hesse darauf bestanden hätten, über
alle damit zusammenhängenden Vorgänge und entsprechende Entwicklungen endlich auch
einmal auf einer ordentlichen ZAG-Parteiversammlung (die doch zuvor immer
wieder, mehr oder weniger regelmäßig, von Horst Traut einberufen worden
waren) entsprechend zu beraten und auch genauer informiert zu werden. Ich
verdeutlichte diese Forderung dann gegenüber verschiedenen anderen
SED-Mitgliedern der ZAG und traf dabei insbesondere wieder bei Jochen Schmidt
und Horst Traut – denen eine so geforderte Parteiversammlung nun natürlich nicht
genehm sein konnte - auf eine in bemerkenswerter Weise begründete Ablehnung:
Aufgabe des Parteiverantwortlichen sei es nicht, hier irgendwelche Parteiversammlungen
zu organisieren, sondern darauf zu achten, dass die „Linie der Partei“
eingehalten werde. Das sei die ganz eindeutig vorgegebene Richtlinie von der
Kulturabteilung des ZK. Eine Parteiversammlung komme hier nur in Frage, wenn
dazu eine Anweisung von dieser ZK-Abteilung erfolgt sei.
Das war nun mit
Abstand das Unsinnigste, was mir in der DDR jemals widerfahren ist, und es ist
wohl auf eine ganz untrennbare Weise mit der spezifischen Ideologie von
„kulturpolitischer Leitungstätigkeit“, die im Zentralhaus für Kulturarbeit in
Leipzig „entwickelt worden war“, verbunden. .
Ich habe damals auch
sogleich erklärt, dass mir bei einer derartigen Missachtung des Statuts meiner
Partei nichts anderes übrig bleiben könne, als entweder Parteiverfahren gegen
alle die zu beantragen, die eine derartige Verletzung des Statutes weiterhin unterstützen
wollen - oder diese Partei zu verlassen, was ich aber keinesfalls vor der
Durchführung dieser von mir nun noch dringlicher eingeforderten Versammlung tun
werde.
Letztlich musste
diese Zusammenkunft, an der dann allerdings keineswegs alle SED-Mitglieder der
ZAG, sondern nur ein offenbar auch wieder von H. Traut zuvor ausgewählt zusammengestellter
Kreis teilgenommen hat, dann aber doch durchgeführt werden und ich verdanke es
wiederum Dr.Axel Hesse, dass dies dann auch exakt dokumentiert und mit dem
Einverständnis aller Teilnehmer auf Tonband aufgenommen wurde. Dass Horst
Traut dann später immer wieder sehr heftig bemüht war sich auch an die Spitze
von SED-kritischen Demokratieerneuerungsbewegungen innerhalb der
Musikfolklorebewegung zu stellen und dabei dann unter anderem auch lauthals die
(dann natürlich auch vielerseits bejubelte) Forderung „Nie wieder
Parteiversammlungen“ unterstützt hat, kann in all diesen Zusammenhängen
vielleicht als ein besonderer Witz betrachtet werden, dessen Besonderheit
wiederum aus seiner damaligen Angst vor genau dieser Parteiversammlung
erwächst. In Wirklichkeit aber handelt es sich hier weniger um einen zu
belächelnden Witz, sondern eher um einen in unvermeidlicher Weise ernst zu
nehmenden Beleg für den politischen Charakter genau der
„Musikfolklore-Family-Szene“, innerhalb derer Derartiges einem Horst Traut und auch
anderen, damals mit gleicher Parteizugehörigkeit ausgestatteten „Folkloreführerpersönlichkeiten“
problemlos gelingen konnte, sowie für die Qualität und den
Wahrhaftigkeitsgehalt, der dann gerade dort immer wieder zelebrierten „Widerstands-Selbstdarstellungen“.
Hinsichtlich entsprechender Verkopplung von vorteilhafter Parteimitgliedschaft
und spezifischem Verlogenheitsverhalten, erweisen sich dann sogar solche, ansonsten
offensichtlich konträren „Führerpersönlichkeiten“ wie Jürgen Wolf und Jochen
Schmidt, als eher gleichartig.
Ich glaube nicht,
dass man dabei einfach – wie damals zuweilen gesagt wurde - von
„Wendehalsverhalten“ sprechen kann, sondern sehe vielmehr ein im innersten
Grunde kaum „gewendetes“, sondern eher kontinuierlich weitergeführtes
Verlogenheitsverhalten, welches sich innerhalb einer damit entsprechend eng
verwobenen „Family-Ideologie“ von führergeführter Gemeinschaftssinnigkeit
keineswegs gezwungen sehen muss, sich nun etwa unauffällig bis in neue Zeiten
durchzuschlängeln, sondern nun lediglich andersartige Effektivitäts-Bedingungen
zu bedenken hatte und dabei auch ganz schnell zu der Erkenntnis gelangen konnte,
dass diese „neuen Bedingungen“ eben auch weitaus bessere Chancen für den
Erfolg von nun in bestimmter Weise weiterzuwebenden Verlogenheiten im Sinne
von längst in bestimmter Weise vorstrukturiert vorhandener
„Gemeinschaftssinnigkeiten“ bietet. Dass sich also unter diesen neuen Bedingungen
nun sowohl ein entsprechend weiterzuführendes „Gemeinschaftsbewusstsein“, als
auch
das stets zu
erneuernde „Stelzenwerk“ für alle darin umherschreitenden Lügen-Kurzbeine
vielleicht noch besser pflegen und entwickeln lassen werden. Und die dann auf
derartigen Stelzen daherkommenden „Widerstands-Selbstdarstellungen“ erfolgen
damit wiederum von einer in dieser Weise entsprechend erhöhten Position aus,
von welcher her sich sowohl die Selbstgewissheiten zur Berechtigung von weiterem
Führungsverhalten, als auch die Illusion, von daher nun auch über die beste
„Übersicht zur Lage“ zu verfügen, steigern lassen.
Einer der
glänzendsten Lichtpunkte an Verlogenheit solcher Selbstdarstellungen, die mir
in und nach diesen Zeiten begegnet sind, ist wiederum mit dem Auftreten von
Horst Traut und Jochen Schmidt auf der wohl letzten, noch von den bereits
zerfallenden Machtorganen des Leipziger Zentralhauses damals nach
Neubrandenburg einberufenen Zusammenkunft der vormals von der ZAG bzw. vom
Zentralhaus in Leipzig erfassten Musikfolkloristen der DDR verbunden. Da
meiner Erfahrung nach die vom Leipziger Zentralhaus veranstalteten
Folklorewerkstätten jeweils mit Tonband aufgezeichnet wurden, denke ich, dass
auch damals ein entsprechender Mitschnitt erfolgt ist, welchen ich nun auch
für ein tatsächlich aufschlussreiches Dokument der Zeitgeschichte halten würde.
Zunächst muss ich
dazu aber, was die Zusammensetzung dieser Versammlung betrifft, den sehr
deutlichen Verdacht äußern, dass diese nicht nur deutlich limitiert, sondern
auch ansonsten gehörig manipuliert worden war. Dann schien mir auch sehr
deutlich zu sein, dass dabei eine Reihe von Teilnehmern wohl bereits durch
Horst Traut „gezielt vorbereitet“ worden waren. Manche wichen mir nun demonstrativ
aus und andere, mit denen es mir gelang, doch ein paar Worte zu wechseln,
lehnten dann (einmal sogar mit der unverhüllten Bemerkung: „Horst Traut hat
uns inzwischen über alles informiert“) das weitere Gespräch ab. Außerdem hatte
ich den Eindruck, dass das, was dann geschah, ebenfalls von Horst Traut oder
ansonsten seitens bestimmter „Zentralhauskräfte“ gezielt vorbereitet worden war.
Aber, wie dem auch sei, hier zeigte sich ein im höchsten Maße interessanter
Vorgang, der wohl auch durchaus typisch für die Art von nunmehrigem
„Demokratieforderungstrubel“, innerhalb dessen sich Horst Traut ja inzwischen
intensiv und unübersehbar platziert hatte, war. Da wurde dann, scheinbar ganz
spontan, ein „Runder Tisch“ gefordert und auch sogleich zusammengestellt, welcher
sich dann sofort auch auf die Bühne des Saales begab und dort dann wiederum als
leitendes Präsidium der Versammlung agierte. Und ein plötzlicher Sprecher dieses
Präsidium verkündete dann als eine seiner ersten Amtshandlungen den
„Beschluss“, dass ’Bernd Eichler nun hier nicht mehr das Wort erteilt wird - er
es aber vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder erhalten könne… ’.
Bei diesem „Beschluss“,
der bestimmten Kräften offenbar sehr wichtig war, kann ich mich nicht
entsinnen, dass er etwa auf einen Vorschlag aus der Versammlung hin erfolgte,
noch dass er irgendwie begründet wurde, oder dass darüber etwa abgestimmt
wurde (weder in der Versammlung, noch innerhalb derer, die nun im „Präsidium“
saßen), er wurde einfach – auch ohne etwa vorher im nun präsidierenden Gremium
irgendwie beraten worden zu sein – nur vom nun agierenden „Sprecher des Runden
Tisches“ verkündet. Und dieser sprach dann im Verlaufe der Versammlung auch immer
wieder von bestimmten, nun unbedingt aufrecht zu erhaltenden Gemeinschafts-Idealen
der ostdeutschen „Folk-Family“. Ich kann mich dabei nur an einen einzigen
Teilnehmer der Versammlung entsinnen, der zu dieser „Beschlussfassung“ doch
seine Bedenken äußerte, - auf den dann aber auch überhaupt nicht eingegangen
wurde. Und auf dieser Versammlung stellten sich dann auch Horst Traut und
Jochen Schmidt als zwei stets demokratiebeflissene Folkloristen vor, die es in
der DDR sehr schwer hatten und – wie Jochen Schmidt in seiner
Selbstdarstellung hervorhob - „sogar von Parteiverfahren bedroht gewesen waren“.
Und sie konnten dies dort, innerhalb einer offensichtlich gut vorbereiteten und
perfekt abgesicherten Situation, auch in völliger Selbstsicherheit verlauten
lassen.
Ich bestehe hier
weiter auf meiner Einschätzung, dass es sich dabei um ein „Glanzstück an
verlogener Selbstdarstellung“ handelt, aber ich bestehe dabei auch darauf zu
differenzieren, und denke insofern, dass sich dabei – wie so oft bei
Fundamentalverlogenheiten – auch ein realer Wahrheitsgehalt festmachen lässt.
Ebenso wie sich dabei auch Weiteres zu Wahrheiten und Wahrhaftigkeiten innerhalb
derartiger politischer Vorgänge bedenken lässt. Denn, dass ich diesen beiden
üblen DDR-Funktionären in der DDR Schwierigkeiten bereitet habe, zu welchen sie
nun, im Trubel des Zusammenbruchs der DDR, sicher sein konnten, dass ihnen
Derartiges in Zukunft, zumal unter kapitalistischen „Demokratieverhältnissen“,
wohl niemals wieder begegnen kann, werde ich nicht leugnen können. Das ist wohl
wahr. Dass diese dabei aber von meiner deutlich als Alternativposition
vorgetragenen Haltung zu meiner damaligen SED-Parteimitgliedschaft damals
tatsächlich „bedroht worden sind“, scheint mir fragwürdiger. Denn Menschen wie
ich – und das ist wohl auch wahr – hatten in solchen Kämpfen doch bereits
damals schon allzu deutlich verloren. Um welche Art von realer Bedrohung sollte
es da etwa noch gegangen sein? Diese Bedrohungsbehauptung ist letztlich ein
ganz ähnlicher Witz, wie die Horst-Traut-Losung „Nie wieder Parteiversammlung“,
oder etwa die Vorstellung, dass sich natürlich nun auch Manuela Maiwald über
die Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit zu Ausländern in der DDR zu beklagen
habe, und dabei dann natürlich auch auf die entsprechende Bedrohung, die
dabei von Menschen wie mir ausgegangen sind, verweisen müsste…
Wenn ich nun an die
DDR- Zeiten denke, in welchen sich die Ereignisstrukturen für solche, dann in
entsprechende „Witze“ umschlagende Entwicklungen herausbildeten, so kommt mir
eine ganz andere, abstrakt mögliche Witzkonstellation in den Sinn, welche –
ganz im Unterschied zu der von Jochen Schmidt behaupteten (aber letztlich eben
nicht realen) Bedrohung – damals durchaus als eine reale Drohung möglich
gewesen wäre. So hätte ich etwa in der Arbeitsgruppendiskussion mit Hans Walz,
in welcher ich über sein „schlichtes politisches Gemüt“ angesichts von ’bedrohlichen
Afrikanern’ in der DDR gesprochen hatte, auch die folgende politische Drohung
aussprechen können:
„Wenn es hier mal
andersherum kommt und die „politischen Schwarzen“ aus Bayern die Macht im Osten
Deutschlands übernehmen, dann wirst Du Dich als Arzt, mit Deinen politisch
völlig unkorrekten Ansichten und Deiner ganz unchristlichen Haltung zu
Ausländern und zu Menschenrechtsfragen aber gewaltig umstellen müssen…“.
Aber abgesehen von
all solchen noch weiterführend auszudenkenden Konstellationen, deren hinterste
Witzebenen zwar die Wahrheit erhellen können, sich aber wohl auch nicht jedermann
erschließen werden, war das Verhalten von Jochen Schmidt und Horst Traut auf
dieser Musikfolkloristenversammlung noch durch andere Züge geprägt.
Irgendwie sind beide
dann wohl auch in einen Siegesrausch erfolgreich absolvierter offizieller
„Beschlussfassungen“ geraten, so dass Jochen Schmidt im Taumel dieses Sieges
dann später auch noch lauthals die Erklärung abgab, dass er und Horst Traut
nun, wo es darum gehen muss, einen neuen ostdeutschen Folkloreverband zu
gründen, dazu nur bereit seien, wenn auch gewährleistet wird, dass Bernd
Eichler dabei ausgeschlossen bleiben muss.
Ebenfalls wieder eine
Verkündung ohne jeden Hauch oder auch nur den Versuch irgendeiner Begründung,
aber eben als deutliche „Führer-Erklärung“ zu vernehmen, über welche dann ja
auch nicht etwa noch diskutiert oder gar abgestimmt werden musste…
Damit kann ich nun
den Bogen wieder zurück zur zuvorigen Situation in der AG Musikinstrumentarium
schlagen, zu welcher anzumerken ist, dass Jochen Schmidt letztlich niemals
wirklich zu deren Leiter gewählt worden ist. Im Zentralhaus wurde da ein ganz anderer,
wahrscheinlich schon vielfach zuvor bewährter „amtlicher Weg“ gewählt, der
darin bestand, dass er einfach plötzlich in allen offiziellen Dokumenten so
geführt und genannt wurde, wobei diese Arbeitsgruppe dann auch – entsprechend
seinem Wunsche – nun immer als „AG Historische Musikinstrumente“ bezeichnet
wurde. Und dabei wurden dann auch allerlei Meinungen und Äußerungen von ihm in
solchen Dokumenten oder sonstigen Verlautbarungen immer als „Einschätzungen der
Arbeitsgruppe Historische Musikinstrumente“ ausgegeben, auch wenn sie dort noch
niemals zur Diskussion gestanden hatten, sondern es sich lediglich um seine
persönlichen Ansichten und gänzlich individuelle „Amtsäußerungen“ handelte.
Beim ersten Auftauchen des Begriffes „AG Historische Musikinstrumente“ fragte
ich Jochen Schmidt einmal, welche Konzeption denn hinter dieser neuen Bezeichnung
stehen solle, er kenne doch meine bereits seit langem von der ZAG bestätigte
Konzeption zum „Musikfolkloristischen Instrumentarium“. In der darauf folgenden
Auseinandersetzung, die dabei auch immer heftiger wurde, zeigte sich dann auch,
worum es hier wirklich ging, denn letztlich sagte er wütend „… damit ist
nämlich klargestellt, dass alles, was du da mit deinen Flöten, Maultrommel,
Dudelsäcken und Waldzithern machen willst, mit uns gar nichts zu tun hat. Das
ist eben keine Pflege von historischen Musikinstrumenten. Stockmann sagt das
auch immer wieder…“
Hier konnte nun
deutlich werden, dass sich inzwischen bestimmte neue Interessenkonstellationen
um diese AG entwickelt hatten. Offenbar wurde diese Einrichtung nun bereits wie
ein zu eroberndes Beutestück betrachtet, bei welchem freilich der bisherige
Name ebenso störend wirken konnte wie meine Person.
Mit dieser
Arbeitsgruppe konnte sich auf ganz überraschende Weise ein neuartiges,
staatlich finanziertes Gremium etablieren, welches, angebunden an einer
zentralen Leitinstitution des Kulturministeriums, nun auch durchaus mit dem
Anstrich einer noblen wissenschaftlichen Einrichtung zur Beschäftigung mit
Musikinstrumenten, - besser noch mit „Historischen Musikinstrumenten“, versehen
werden konnte um entsprechend zu renommieren…
Es lag auf der Hand,
dass insofern sowohl Prof. Stockmann, aber eben auch der staatliche Leiter des
ASMW Markneukirchen, hier Chancen sahen, mittels dieser Einrichtung auch
ihre Bedeutungsmöglichkeiten innerhalb ihrer bisher beherrschten
Funktionsbereiche, und eben möglicherweise auch noch darüber hinaus, entsprechend
weitertreibend steigern zu können. Und für Jochen Schmidt wurde dabei deutlich,
dass da seitens des Zentralhauses keinerlei Hindernisse, sondern wohl eher
Unterstützungen zu erwarten sein werden - zumal wenn es um die Entfernung
meiner Person gehen wird.
Offensichtlich im
Zusammenhang mit der damaligen AG-Diskussion um Roman Streisand, aber auch im
Zusammenhang mit späteren, immer wieder unvermeidlichen Zusammenstößen, die
ich mit Horst Traut hatte, wenn es um bestimmte Fragen der Leitungstätigkeit
des Zentralhauses oder bestimmter, mir pervertiert erscheinender Behauptungen
zu „sozialistischem Demokratiebewusstsein“ ging (wo immer wieder nur
„Unterordnungsnotwendigkeiten“ betont wurden), hantierte dieser dann aus
seiner Position des „Parteiverantwortlichen“ zunehmend mit auch immer
unsinniger werdenden Parolen und Forderungen, wie: „Ich verbiete dir grundsätzlich
das Polemisieren“ .oder auch „Du hast dich jedem Mehrheitsbeschluss
unterzuordnen“, worauf ich nicht anders konnte, als ihn darauf hinzuweisen,
dass ein SED-Funktionär doch unmöglich in einer derartig pro-faschistoiden Art
und Weise auftreten und argumentieren könne. Daraufhin begann er dann, sowohl
in brieflich-schriftlicher, als auch in mündlicher Weise, verschiedene
SED-Mitglieder der ZAG quasi „parteioffiziell“ davor zu warnen, „die Ansichten
von Bernd Eichler“ zu vertreten, was mir wiederum zugetragen wurde, ohne dass mir
jedoch jemals genauer gesagt werden konnte, um was für Ansichten es da
eigentlich genau ginge.
Aber von anderen
ausgewählten Musikfolkloristen, die an bestimmten Einweisungen und Sonder-Besprechungen
im Kulturministerium teilgenommen hatten, wurde mir dann auch (mal
hämisch-höhnisch und mal eher belustigt) zugetragen, dass der dortige
Musikfolklore-Verantwortliche, Herr Fuhrmann, unter deutlicher Bezugnahme auf
mich verschiedentlich entsprechende Bemerkungen darüber fallen ließ, dass
„manche Leute immer noch nicht verstanden hätten, dass Demokratie eben auch
Unterordnung beinhalte“ usw. Von diesem, meiner Erfahrung nach in ganz
besonderer Weise verantwortungskorrupten Kulturfunktionär wurde damals auch
eine „dienstinterne“ Beurteilung meines politischen Verhaltens und meiner
entsprechenden Ansichten beim Zentralhaus angefordert, was dann natürlich auch
mir, sowie auch anderen wiederum zugetragen wurde, und wodurch sich dann
wiederum Jochen Schmidt motiviert sah, nun auch, aus seiner „persönlichen politischen
Verantwortung“ heraus, eine Beurteilung zu meiner Person zu verfassen. Ein
Schriftstück, welches er dann jeweils mit der Verpflichtung zum “Ehrenwort der
Verschwiegenheit gegenüber Bernd Eichler“, an verschiedene staatliche Stellen,
aber auch bestimmte auserwählte Musikfolkloristen der „Folk-Family“ verteilte.
Und auch dies ist mir dann natürlich wieder (sowohl unverhohlen hämisch, als
auch „verholen verwundert“) zugetragen worden. Freilich, ohne dass ich jemals
auch nur ein einziges Wort aus diesen, sowohl durch die „Ehrenauffaussung“ der
„ehrenwerten Folk-Family“, als auch durch die moralische Verkommenheit von bestimmten
Staats- und Parteifunktionären, über alle weiteren politischen Entwicklungen
hinweg unbeschadet „geschützten“ Schriftstücken erfahren konnte.
Dann aber wollte sich
das „Leipziger Zentralhaus“ wohl doch auch zu deutlicheren Maßnahmen und klaren
Entscheidungen aufraffen und konnte dabei wohl nicht anders, als dies wiederum
auf eine ganz bestimmte Weise zu tun.
Eine Vorgehensweise, welche
nun wiederum ganz gewiss nicht als dummer Zufallswitz bestimmter politischer
Entwicklungen zu interpretieren ist, sondern wohl nur als eine gezielt
lancierte Demonstration der unerschütterlichen Machtgewissheit einer
Institution unter deren Mitabeitern und Partnern sich im Zusammenhang mit
dieser Unkultur von Machtgewissheit offenbar auch noch eine besondere Form von
Besessenheit entwickeln musste, welche wohl darin bestand, genau denen, die
nun endlich mal diese Macht auch deutlich zu spüren bekommen sollen, unbedingt
auch noch mit demonstrativ-offensichtlichen Formen von Verhöhnung und dem
Versuch der Demütigung gegenüber zu treten.
Es wurde also Manuela
Maiwald beauftragt, mir nun „offiziell“ mitzuteilen, dass ich die
„Arbeitsgruppe Historische Musikinstrumente“ zu verlassen hätte. Dies sei ihre
Meinung, und auch die Meinung der Leitung des Zentralhauses. Sie sei nun
beauftragt, mit mir darüber ein entsprechendes Gespräch durchzuführen; -
insbesondere auch auf Grund einer entsprechenden Bitte, die Jochen Schmidt der
Leitung des Zentralhauses vorgetragen habe, welcher sich ja bekanntermaßen
inzwischen offiziell weigere mit Bernd Eichler zu sprechen….
Natürlich war Manuela
Maiwald nach ihren fremdenfeindlichen Äußerungen und den anderen diesbezüglichen
Entwicklungen in der AG Feldforschung, aus diesen Vorgängen letztlich gestärkt
hervorgegangen, und dass die Leitung des Zentralhauses ihr nun auch den Auftrag
erteilte, genau den Störenfried „rauszuschmeißen“, der so permanent gegen ihre
„Rausschmisswünsche zu Vietnamesen“ opponiert hatte, musste ihr nicht nur als
weiterer Vertrauensbeweis der Leitung, sondern eben auch als Triumph ihrer
verantwortungsvollen kulturpolitischen Tätigkeit erscheinen. Und genau in einem
solchen Sinne versuchte sie nun auch in diesem „Vieraugengespräch“, mit mir zu
diskutieren: Es sei offensichtlich, dass Jochen Schmidt und Bernd Eichler sich
nicht vertragen würden, das habe ihr Jochen Schmidt so mitgeteilt und das sei
ja inzwischen auch allgemein bekannt. Sie interessiere sich dabei aber gar
nicht, um was es da vielleicht ginge, oder wer da etwa Recht oder Unrecht hätte
usw., sondern sie müsse nun in ihrer kulturpolitischen Verantwortung eine Leiter-Entscheidung
treffen, und da ihr eben Jochen Schmidt als Chef des ASMW in Markneukirchen
wichtiger sei, hätte ich nun diese AG zu verlassen und ich müsse dies auch
verstehen und akzeptieren, denn es geht hier schließlich darum, dass sie in
ihrer Funktion auch ihrer kulturpolitischen Verantwortung gerecht werden müsse
und das hätte nun auch ich einzusehen usw… Auf meine Fragen, was mir denn vielleicht
vorzuwerfen sei, was ich denn bislang vielleicht falsch gemacht hätte oder ob
ich etwa mit meinen Initiativen Schaden für die Musikfolkloreentwicklung in der
DDR angerichtet hätte etc. betonte sie immer wieder, dass es darum gar nicht
ginge, sondern sie hier für ihre Arbeit eine Entscheidung zu treffen habe, um
ihrer Leitungs-Verantwortung gerecht zu werden…
Natürlich
interessierte mich dann, bei diesem so offensichtlich unsinnigen Versuch einer
„Begründung“ der mir von ihr „mitzuteilenden Leitungsentscheidung“, auch ihre
Haltung zu der von ihr dabei immer wieder beschworenen „kulturpolitischen
Verantwortung“... Und da betonte sie immer wieder, dass sie diese
Verantwortung eben in erster Linie gegenüber der Leitung des Zentralhauses
wahrzunehmen habe und den von dort kommenden Anordnungen entsprechend Folge zu
leisten hätte und nun auch diese Entscheidung treffen und mir also mitteilen
müsse.
Ich versuchte dann,
ihr zu erklären, dass ich dieses von ihr hier vorgetragene Ansinnen für eine
komplette Unsinnigkeit halten muss.
Sowohl hinsichtlich
der Verantwortlichkeiten, in denen sie sich sieht, als auch hinsichtlich der
Verantwortlichkeiten, in denen ich mich sehe.
Im Sinne meines
kulturpolischen Engagements und meiner politisch-organisatorischen Bindungen,
die ich in meinem Leben eingegangen bin, denke ich, dass ich mich hinsichtlich
meines Engagements in dieser Arbeitsgruppe in einem Verantwortungsverhältnis
gegenüber bestimmten Kulturentwicklungen in der DDR befinde, aber als
einfaches Mitglied dieser Arbeitsgruppe weder gegenüber ihr als Vertreterin des
Zentralhauses, noch etwa gegenüber einem Jochen Schmidt oder gegenüber der
Leitung des Zentralhauses irgendwie ’verantwortlich’ sei. Schon gar nicht in
dem Sinne, dass ich etwa diese AG nun „verantwortungsvoll“ zu verlassen hätte,
um den Ambitionen von Zentralhausfunktionären nicht im Wege zu stehen.
Sie möge hier lieber
bedenken, in welch schändlicher Weise hier sowohl ein Jochen Schmidt, als
offenbar auch die Leitung des Zentralhauses versuchen sie auszunutzen und zu missbrauchen
und zwar sowohl hinsichtlich ihrer offensichtlichen Naivität (insofern es hier
doch einfach um die abgefeimte Organisierung einer platten Intrige geht), als
auch hinsichtlich ihrer offensichtlichen Unbedarftheit für das Verständnis von Kulturarbeit
und von Kulturpolitik (insofern es hier um ihr Verständnis von
kulturpolitischer Verantwortung geht), als auch hinsichtlich ihrer besonderen
Mentalität des „Rausschmeißenwollens“ (insofern es nun zwar nicht um
„ungewollte Vietnamesen“ aber um das offensichtliche Angebot, hier ein
ungewolltes Mitglied dieser AG persönlich „rausschmeißen“ zu dürfen, geht).
Wäre sie weniger naiv hinsichtlich dessen, wozu sie hier instrumentalisiert
werden soll, so hätte sie natürlich mindestens darauf bestehen müssen, dass
ein solches „Gespräch“ in der AG selbst zu führen sei. Und wäre sie weniger
„unbedarft“, so würde sie erkennen können, dass genau ihre hier dargelegte Verantwortungsauffassung
so ziemlich das Verantwortungsloseste ist, was ein DDR-Kulturfunktionär
überhaupt formulieren kann – was mir allerdings als sehr typisch für die
politische Kulturlosigkeit gerade dieses „Hauses für Kulturarbeit“ erscheint. Und
wenn sie über etwas mehr Würde und nur ein bisschen mehr Überlegungskraft
verfügen könnte, so hätte sie gerade einen solchen schändlichen „Sonderauftrag
des Rausschmeißendürfens“ generell von sich weisen müssen. Ich muss angesichts
ihrer vorgebrachten Argumente aber eher davon ausgehen, dass sie stattdessen
wohl auch selbst von einer recht primitiven Mentalität des
„Rausschmeißenwollens“ beherrscht ist. Und dazu erklärte ich ihr meine
Auffassung, dass es sowohl auf der Basis der Gesetze der DDR, als auch auf der
Grundlage der Dokumente und grundsätzlichen kulturpolitischen Leitlinien der
SED überhaupt keine Möglichkeit geben kann, mich in dieser Weise aus einer
solchen AG entfernen zu wollen. Und selbst wenn es gelingen sollte, vielleicht tatsächlich
eine Mehrheit von AG-Mitgliedern dazu veranlassen zu können, in diesem Sinne über
meine „Entfernung aus der AG ab zu stimmen“, so würde ein solcher Vorgang doch
immer noch jeder rechtlichen und fachlich-inhaltlich sachlichen Begründung
entbehren. Es bliebe ein faschistoid manipulierter Willkürakt.
Diese meine Ansicht
möge sie bitte auch der Leitung des Zentralhauses mitteilen.
Dort waren meine
entsprechenden Positionen aber bereits aus anderen Auseinandersetzungen
bekannt. So z.B. auch aus der Zeit, als Horst Traut sich weigerte, die erwähnte
Parteiversammlung einzuberufen. Bereits damals hatte ich meine entsprechenden
Ansichten sowohl in einem von mir eingeforderten Gespräch mit dem dortigen
Leiter Dr.Morgenstern, welches er dann abbrach, als auch anlässlich eines
später von ihm angeordneten „Vorladungsgesprächs“ vor einem Gremium von leitenden
Funktionären seines Zentralhauses zum Ausdruck gebracht, welches allerdings
dann ich, nach der dort zu Beginn von mir vorgetragenen Wiederholung
meiner damaligen Forderung nach einer von Horst Traut einzuberufenen
ZAG-Parteiversammlung, meinerseits abgebrochen und einfach verlassen hatte.
Die damalige
Situation war insofern von einer spezifischen, aber eben auch makaberen Symbolik
gekennzeichnet, als dass mir in diesem vielköpfigen Gremium, gegenüber dem ich
am Ende eines langen, beiderseits besetzten Konferenztisches Platz zu nehmen
hatte, nun auch wieder der Parteiverantwortlichen Horst Traut gegenüber saß, mit
dessen Hilfe ich hier offensichtlich wegen meiner „nicht hinnehmbaren Faschismus-Behauptungen“
abgekanzelt und entsprechend „verurteilt“ werden sollte, wobei dieser damit offenbar
den effektivsten Weg gefunden zu haben glaubte, um eben genau dieser, von mir
nun hier wieder geforderten Parteiversammlung, weiterhin ausweichen zu können.
Ein in dieser Weise inzwischen vollständig pervertierter Funktionärsapparat,
welcher gerade dann besonders aufgeregt und „zuschlagend“ reagierte, wenn
Kritik an Zuständen laut wurde, denen gegenüber er sich offensichtlich inaktiv
und also dann eben auch „leugnend“ verhielt, und welcher dann, mit seinen in
dieser Weise immer trickreicher und verlogener geratenden Handlungsweisen, auch
ohne weiteres zum aktiven Schützer dieser Zustände mutieren konnte. Insofern musste
dann wohl auch dem Versuch der Verweigerung eines solchen Leugnens mit
entsprechend demonstrativer Schärfe (eben bis hin zur aufgeblasenen
Einberufung mächtiger „Verurteilungsgremien“) entgegengetreten werden, wobei
sich dabei dann eben auch gerade wieder genau die Vertreter faschistoiden
Denkens und Verhaltens als hilfreich (und letztlich eben auch als zunehmend unentbehrlich)
erweisen werden, deren Denk- und Verhaltensweisen eben meiner Meinung nach doch
eher entgegenzutreten und zu bekämpfen wären, - was freilich nicht gefordert
werden kann, solange die Leugnung der Existenz eines entsprechenden Gesinnungs-
und Verhaltensrepertoires erfolgreich bleibt…
Zu diesem Gremium
hätte also insofern damals auch noch Manuela Maiwald gehören können.
Allerdings wusste man
im Zentralhaus wohl nur allzu gut, dass gerade diese Kulturfunktionärin als
Mitglied eines solchen vielköpfigen und sich eben auch als „offiziell“
gebärdenden „Vorladungsgesprächs-Gremiums“ sicherlich völlig untauglich und
wohl auch allzu blamabel gewesen wäre, und sich eben viel besser für die
Erfüllung anderer, dann eher als „inoffiziell“ darzustellender „Entfernungs-Aufträge“
oder sonstiger „Zentralhaus-Intrigen“ eignete, wie eben genau der, mit welcher sie
mich damals zur „Arbeitsgruppe Historische Musikinstrumente“ überraschte.
Es wurde dann ja auch
niemals versucht, etwa in dieser Arbeitsgruppe selbst, in meinem Beisein, darüber
zu sprechen, dass ich diese AG zu verlassen hätte, - aber eben sicherlich an
anderen Orten und in anderen Gremien ohne mein Beisein... Und dies ganz gewiss
wohl auch in Vorbereitung auf die soeben geschilderte letzte „zentralhausorganisierte
Versammlung“ der DDR-Musikfolkloristen in Neubrandenburg.
Damals war dann auch
klar, dass gerade Jochen Schmidt kein Interesse mehr an der weiteren Existenz
dieser AG haben konnte, aus der ich offenbar doch nicht einfach entfernt werden
konnte, und nun wohl eher daran interessiert war, mit deren Untergang dann auch
entsprechende Unterlagen und Dokumente zu deren Arbeit „untergehen zu lassen“.
Jedenfalls war es mir
bereits in den „noch DDR-Zeiten“ nicht mehr möglich, eine zuvor von mir nur
zufällig und kurz eingesehene Kopie seiner Rede zum letzten
DDR-Dudelsackspielertreffen in Bautzen (1988) zu erhalten bzw. einsehen zu
können. Ich wollte mir dieses Schriftstück damals noch einmal genauer
anschauen, weil es mir bereits beim ersten zufälligen Überfliegen als ein
bemerkenswertes Dokument der Vernetzung von demonstrativer
„Folk-Family-Ideologie“ und führerschaftlich vorgetragener Verkündung der
Aussicht auf höhererseits bereits wohlwollend weiterbedachter
„Privilegienverteilung“ für zentralhausgeleitete Musikfolkloristen erschien.
Vorgetragen von einer durch den Staatsapparat nun neuauserkorenen
„Führerpersönlichkeit der DDR Folklorebewegung“, welche sich dabei sowohl mit
den fremden Federn der damaligen Dudelsackausstellung, als auch mit dem
entfalteten Selbstbewusstsein seiner nunmehr sich bestätigenden
„Führerposition“ präsentieren konnte.
(17)
Bei diesem ersten
Treffen der Dudelsackinteressenten der DDR in Leipzig, welches damals von mir ganz
privat, persönlich vorbereitet und organisiert wurde und ich dabei lediglich
auf die ebenfalls nur auf persönlicher Freundlichkeit beruhende Hilfe und
Mitunterstützung von Bekannten und Freunden, welche die Möglichkeit hatten
dabei, sozusagen „im Grenzbereich“ bestimmter Kulturfunktionen, bei der
Raumbeschaffung, bei bestimmten Reisekosten und auch Übernachtungen in Leipzig
zu helfen, vertrauen musste, konnte ich aber ansonsten mit keinerlei
offizieller Unterstützung rechnen, sondern musste immer noch bestimmte
Behinderungen und auch verschiedentlich angedrohte Untersagungen dieser
Initiative befürchten. So wurden meine entsprechenden Aktivitäten insbesondere
seitens bestimmter Kulturfunktionäre in Berlin ja immer wieder kriminalisiert und
ohne weiteres als „gesetzeswidrig“ oder auch als „staatsfeindlich“ bezeichnet.
Letztendlich wurde über dieses dann aber doch gelungene, erste Treffen von
Dudelsackinteressenten aus der ganzen DDR, dann aber doch in der Presse sowie
im Rundfunk „offiziell“ berichtet.
Zu Letzterem ist
jedoch anzumerken, dass, ganz im Unterschied etwa zu den stets sehr
freundlichen Dudelsack-Berichterstattungen der Zeitung „Junge Welt“ (so auch
über das Festival in Strakonice usw.), dann das Interview welches damals
Wolfgang Leyn zu diesem Dudelsacktreffen in Leipzig mit Roman Streisand im
Rundfunk der DDR veranstaltete, von sehr eigenartiger, letztlich pejorativ
ambivalenter Natur war. Ich habe dies nie vollständig (also von Anfang an)
gehört, aber Wolfgang Leyn erzählte auch danach noch verschiedentlich (und
dies durchaus mit dem verantwortungsgeladenen Gestus „einer dabei doch
notwendigen Kritik“), was in diesem Interview hervorgehoben worden ist: Dass
nämlich die organisatorische Vorbereitung und Durchführung dieses Treffens doch
sehr mangelhaft gewesen sei, da schließlich nicht einmal die Verpflegung für
die Teilnehmer ordentlich gesichert war... Andere Dudelsackfreunde bestätigten
mir dann auch mit mehr oder weniger Verwunderung, dass dies tatsächlich so in
diesem Interview zum Ausdruck gekommen sei. Um das Zustandekommen dieser Art
von Berichterstattung im Nachhinein angemessen zu verstehen, sind hier
sicherlich unterschiedliche ’Motivationsmöglichkeiten’ zu bedenken.
Zunächst muss dabei
aber angemerkt werden, dass die entsprechend von Wolfgang Leyn angefertigten
Berichterstattungen und sonstigen Darstellungen zur Neomusikfolkloreentwicklung
in der DDR, insbesondere zu entsprechenden Dudelsackentwicklungen, insgesamt
gesehen, eine deutliche Tendenz zu offenbar subjektiv motivierten
Fehldarstellungen, bis hin zu scheinbar unauffälligen, aber wohl doch auch
bewusst gezielten „kleinen Unwahrheiten“ aufweisen, und es ihm dabei, was
größere Kulturzusammenhänge betrifft, offenbar schwer fällt, die
Neuartigkeitsbedeutung dieser Entwicklung innerhalb der Kulturbetriebsamkeiten
der DDR und insbesondere innerhalb der Neomusikfolklorebewegung der DDR zu
erkennen bzw. entsprechend objektiv zu würdigen und sachlich darzustellen. Dies
hängt wohl mit seiner spezifischen „Folkländerborniertheit“ zusammen. Dass er
dabei aber auch, sowohl was die Geschichte dieser Dudelsackentwicklungen in
der DDR, als auch was das spezielle Instrument „Dudelsack“ betrifft,
insbesondere an ganz bestimmten (insbesondere auch von mir stammenden), ihm
zweifellos bekannten Publikationen und wissenschaftlichen Arbeiten sowie auch
an ganz bestimmten gerade damit verbundenen Initiativen, einfach ’vorbei sieht’
bzw. diese demonstrativ ignoriert, ist ein weiterer signifikanter Zug seiner
Art von Journalismus. Dabei kann ich mir allerdings nicht vorstellen, dass auf
diese Weise, also mit gezieltem Weglassen, seine Leser und Zuhörer tatsächlich
besser bzw. „objektiver“ informiert werden. Ob diese Art von parteiischem Ignoranzverhalten
nun nur eine in besonderer Weise pervertierte Form dessen ist, was ihm wohl
sicherlich auch schon während seines Journalismusstudiums in der DDR als
„parteilicher Journalismus“ nahe gelegt wurde, kann ich schlecht beurteilen, da
ich die entsprechenden Ausbildungsverhältnisse für Journalisten nicht
detailliert kennen gelernt habe. Aber ich habe in der DDR eben auch viele Journalisten
erlebt, die ihrer Arbeit und ihrer Verantwortung in durchaus parteilich-objektiver,
informativer und keinesfalls ignoranter Weise nachgekommen sind, und muss dazu
betonen, dass meiner Erfahrung nach eben Wolfgang Leyn weder zu DDR-Zeiten,
noch danach, zu diesen gezählt werden könnte.
Was nun das damalige
Radiointerview und die dabei von mir bereits apostrophierten
„Motivationsmöglichkeiten“ betrifft, so wird ihm insbesondere meine Person wohl
schon damals im Sinne einer bereits aufkeimenden “Folk-Family-Ideologie“ nicht
behagt haben. Es können bei ihm aber auch nahe liegende Bedenken zu meiner Person
im Sinne von eher ’politisch begründeten Vorbehalten’ eine Rolle gespielt
haben. Ob nun auf Grund von bereits entsprechend erfolgten Hinweisen von
staatlichen Stellen oder eher in vorauseilender Gehorsamkeit gegenüber diesen,
ist dabei wohl nebensächlich. Denn Wolfgang Leyn wusste natürlich ganz genau
(zumal ich gerade darüber, also über alle diese Dudelsackaktivitäten, mit ihm schon
oft sehr intensiv gesprochen hatte und er auch jeweils genau informiert war),
in welche Richtung meine Antworten und Darlegungen dabei gegangen wären. Wenn
er mich, ob nun neben Roman Streisand oder auch ohne diesen, damals als
Interviewpartner, zu diesem von mir organisierten Dudelsackinteressententreffen,
befragt hätte, so wäre bei mir natürlich die politische Bedeutung deutscher
Dudelsacktraditionen für das Verständnis unserer Geschichte, insbesondere
hinsichtlich unseres Verhältnisses zu unseren osteuropäischen Nachbarn zur
Sprache gekommen, und ich hätte dann auch – und dies dann eben möglichst noch
viel eindringlicher – über die kulturpolitische Bedeutung dieser völlig neuen
Initiative in der DDR gesprochen. Eine selbst entwickelte Initiative vieler
Interessenten, bei der jedermann auch selbst mitmachen kann und also in
gleichem Sinne auch jedermann selbst Ähnliches auf anderen kulturellen Gebieten
auf die Beine stellen kann, auch wenn dabei, wie in diesem Falle hier, zunächst
viele Widerstände bei manchen staatlichen Institutionen zu überwinden sein
werden. Und ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass auch Roman Streisand (den
ich als einen politisch links gesinnten Musikanten kennen gelernt hatte) mir da
wohl kaum widersprochen, sondern mich wohl eher unterstützt hätte. Und falls
es ihm oder Wolfgang Leyn dabei doch noch wichtig gewesen wäre, dabei kritisch
darauf zu verweisen, dass bei diesem, eben „nicht-staatlich organisierten“
Treffen kein ordentliches Mittagessen für jeden Teilnehmer vorbereitet worden
war, sondern sich darum jeder selbst kümmern und entsprechend versorgen
musste, so hätte ich wiederum dies als Möglichkeit genutzt, um genau dabei
darauf hinzuweisen, was hier doch auch als bemerkenswert gelten kann, dass nämlich
dieses Treffen in Leipzig zunächst nur auf der Grundlage einer letztlich ganz
privaten Initiative einer einzigen Person (aber eben weder von Roman Streisand,
noch etwa von so jemandem wie Wolfgang Leyn) organisiert werden konnte, und bei
künftig vorzubereitenden Treffen dann wohl auch eine entsprechende staatliche
Kultureinrichtung (von denen in der DDR für die Unterstützung einer solchen
Initiative ja zweifellos mehrere denkbar gewesen wären) gefunden werden muss,
um diese Initiative nun auch lebendig weiterzuentwickeln, - der Staat also nun
aufgerufen ist, dies alles endlich ernster zu nehmen…
Ob Wolfgang Leyn
damals ein solches von meiner Seite her mit Sicherheit zu erwartendes
Statement im Rundfunk der DDR nur aus persönlicher Abneigung gegen mich oder
eher aus eigener „staatsjournalistischer Verantwortung“ oder vielleicht auch
nur „auftragsgemäß“ vermeiden wollte, kann ich nur vermutungsweise beurteilen
und denke, dass wohl gerade bei ihm auch alle diese Motivationsstränge
zusammengewirkt haben können. Ich meine dabei aber auch, dass es ihm damals
gelungen ist, Roman Streisand im Sinne all solcher Motivationen auszunutzen und
demgemäß im Sinne eines entsprechend „braven“ Rundfunkbeitrages zu
instrumentalisieren. Ein Beitrag, bei dem viele Hörer dann letztlich den
Eindruck haben konnten, dass sich da in Leipzig ein in gewohnter Weise staatsinstitutionsgeleiteter
DDR-Folkloreverein getroffen habe, der sich interessanterweise mit
ungewöhnlichen Blasinstrumenten beschäftigt, dessen Leitung aber offenbar nicht
fähig war den Musikanten auch ein ordentliches Mittagessen zu organisieren…Also
auch ein sicherlich ’begrüßenswert kritischer Rundfunkbeitrag eines offenbar
mutigen Journalisten’, denn so etwas ist doch wohl in der Geschichte des
künstlerischen Volkskunstschaffens der DDR, noch keinem Volkskunstkollektiv
widerfahren…
Jahrzehnte später hat
sich Roman Streisand in einem am 11.05.2010 ins Internet eingegeben Gesprächs
mit Nico Semmler (http://www.youtube.com/watch?=sGWX4BSwbmQ)
ebenfalls kritisch zu diesem Dudelsackinteressententreffen in Leipzig
geäußert, ohne auch hier auf dessen tatsächlichen Charakter in der DDR
irgendwie einzugehen. In diesem Interview zur „Geschichte der Marktsackpfeife“,
welches offenbar im Sinne des Verkaufs seiner Instrumente angelegt war und in welchem
er einleitend als ’Erfinder der Mittelalterszene’ und als ’Erfinder der
Starksackpfeife in a-moll’ vorgestellt wurde, kam es ihm nun darauf an, den
besonderen Charakter seiner Instrumente hervorzuheben. Über das Treffen in
Leipzig sagte er dazu: „Da wurde furchtbar viel gequatscht und mit Mikrometerschrauben
hantiert usw., und Einige versuchten auch mit ihren Produkten da zu spielen,
und das ging also nur Mehr oder Weniger…“. Aber sein Instrument, sein „…Ding
aus Spatenstielen…“ funktionierte dort eben, - und zwar „…ohne irgendwie große
Messerei“.
Ich denke, dass diese
Darstellung seines damaligen Instrumentes wohl kaum angezweifelt werden muss,
aber seine diesmaligen sonstigen Darstellungen zu diesem Treffen sowie auch zu den
anderen damals dort zusammengekommenen Dudelsackbauern, sowie zu meiner Person,
aber auch zu vielen weiteren in diesem Interview berührten instrumentenbautechnischen
Problemstellungen, sind eben doch auf eine für ihn ganz typische Art
zweifelhaft und manchmal eben auch offensichtlich unsolide. Mit dieser, bei Roman
Streisand durchaus ausgeprägten und zuweilen eben auch bis zur Arroganz
reichenden Art der Beurteilung von Zusammenhängen, von Instrumenten, von
Personen und/oder von bestimmten Vorgängen und Entwicklungen, konnte also auch
ein Journalist wie Wolfgang Leyn zu DDR-Zeiten sicher rechnen und dann auch
entsprechend seiner Ambitionen damit manipulativ umgehen. In diesem Sinne meine
ich eben, dass diese spezifische Art von Roman Streisand damals schon ganz gezielt
von Wolfgang Leyn instrumentalisiert und eben auch missbraucht wurde. Da war
eben das nunmehrige Gespräch mit Nico Semmler von durchaus anderer Natur,
auch wenn da wieder ein Roman Streisand in seiner typischen Art zu erleben war.
Hier ging es aber letztlich eher um spezifische Verkaufsbestrebungen und
weniger um den Anspruch auf „objektive Berichterstattung“. Also konnte nun auch
jeder Zuhörer die demonstrativen Über- oder auch Unter-Treibungen von ihm,
sowie seinen spezifischen Umgang mit Unexaktheiten und grade eben auch seine
geradezu als Kult betriebene und stets auch als spezifisch „mittelalterlich“ verkaufte
’Arroganz der Rustikalität’, letztlich doch auch als ein Mittel durchaus
zeitgemäßer Dudelsack-Privat-Werbung, und eben keineswegs etwa als einen sich
„verantwortungsvoll sachlich-kritisch“ gebenden Journalismus eines staatlich geleiteten
Mediums missverstehen.
Insbesondere verwundert
mich in seinen nunmehrigen Darstellungen aber auch, was er nun als Beispiele
für seine Art der Herstellung von konischen „Reibahlen aus Feilen“ und dabei
auch über das ’Auftunen’, das ’Lautermachen’ bzw. auch das „Nachreiben von zu
leisen ’Stecker Schalmeien’“ usw. erzählt. Zum ersten DDR-Dudelsackinteressententreffen
in Leipzig hatte ich natürlich auch alle meine damaligen ’Mönnig-Reibahlen’
vorgestellt und dann auch über die speziellen Probleme entsprechender
Präzisionswerkzeuge gesprochen (allerdings ohne dabei mit „Mikrometerschrauben
zu hantieren“ - an die ich mich zu diesem Treffen auch nicht entsinnen kann). Und
sicher habe ich damals auch mittels meiner Schieblehre deutlich gemacht, dass
es bei diesen, so überaus exakt gearbeiteten Originalwerkzeugen, tatsächlich
um hohe Genauigkeit geht. Ich gehörte also zweifellos auch zu den damaligen „Furchtbarviel-Quatschern“
dieses Treffens, und das mag wohl auch eine Bedingung dafür gewesen sein, dass
mir zu diesem Treffen dann meine damals beste Reibahle „abhanden gekommen“ ist…
(18)
Diese bereits in der
ersten Hälfte der siebziger Jahre in der DDR immer deutlicher werdenden
„musikfolkloristischen Aktivitäten“ vieler Jugendlicher, welche sich anfänglich
völlig im Schatten der allgemeinen offiziellen Betriebsamkeiten um die
FDJ-Singebewegung bewegten, wurden von den verantwortlichen Kulturfunktionären,
die dies doch, entsprechend dem ansonsten zur allgemeinen Förderung kultureller
Aktivitäten in der DDR Üblichem, hätten fördern müssen, zunächst überhaupt
nicht begriffen, und dann auch lange Zeit entweder weiter verschlafen oder eben
auch ignoriert und letztlich nur zögerlich und erst viel zu spät als ein nun
doch in spezifischer Art vom „Leipziger Zentralhaus für Kulturarbeit“ zu
verwaltendes Kulturphänomen, zur Kenntnis genommen. Und dies dann eben
keineswegs zufällig auch genau in der Initiativform, die sich (auch erst nach
verschiedenen bereits anderenorts entstandenen „Folk-Initiativen“) dann in
Leipzig, unmittelbar vor der Hautür des dortigen, überaus trägen „Zentralhauses
für Kulturarbeit“, entwickelt hatte. Dabei konnte oder wollte in diesem Haus
nun auch kaum begriffen oder etwa akzeptiert werden, dass es auch schon lange
vor diesen studentischen Initiativen in Leipzig, auch weithin außerhalb dieser
„heimlichen Hauptstadt“, bereits in der ganzen DDR „neofolkloristische Gruppen“
gab, die neben der zunächst allenthalben üblichen irischen Folk Music auch
bereits auf deutsche Volkslieder aus waren. Dass dann vor allem von diesen
Kulturfunktionären die in Leipzig entstandene Legende des Entstehens dieser
Bewegung „aus dem Leipziger Grafikkeller heraus“ immer wieder DDR-weit
verbreitet wurde und sich dann natürlich auch innerhalb nachfolgend
„staatsoffizieller kulturpolitischer Statements“ findet und so auch immer
wieder in den Medien wiederholt wurde, erklärt sich einfach daraus, dass eben
auch in Leipzig dieses für das Volkskunstschaffen in der ganzen DDR zuständige
„Leipziger Zentralhaus für Kulturarbeit“ installiert war. Also mussten sich
dann letztlich – auch trotz aller sonstigen Unterschiedlichkeiten - auch beide
dort agierende „Gremien“, also die mit entsprechenden Legenden und
Folkloreheiligenscheinen alsbald umwobenen „Folkländer“ nebst Anhang und das
diese Legenden weiterwebend aufnehmende „Zentralhaus für Kulturarbeit“, nun
zwangsläufig in entsprechend gegenseitiger Abhängigkeit, auch immer wieder
gegenseitig ergänzend bedingen. Dass dabei das Zentralhaus gegenüber dem
Ministerium und dem ZK so tun konnte, als ob diese ’Vorbildgruppe’ eben das
Ergebnis seiner vorbildlichen, vorbildinstallierenden kulturpolitischen
Leitungstätigkeit sei, und die Folkländer dann gegenüber Teilen der (letztlich
nur mittels eines solchen „Zentralhauses“) dann so auch von ihnen „geführten
Folks-Gemeinschaft“ immer wieder so tun konnten, als ob aber gerade seitens
dieser Institution und der von daher wirkenden Staatlichkeit, die ständigen
Hauptbehinderungen für ihre doch nun auch offiziell überall als überaus
bedeutend beschworenen Kulturaktivitäten erfolgen würden, widerspricht diesem,
von mir hier als das eigentliche Wesen ihres Zusammenhangs innerhalb der in der
Wirklichkeit freilich durchaus anders proportionierten „neomusikfolkloristischen“
Aktivitäten und diesem aus dieser Wirklichkeit dann resultierendem Verhältnis
der gegenseitigen Abhängigkeit beider aber keineswegs, sondern war dabei
letztlich lediglich der durchaus in dieser Wesentlichkeit über ein gutes
Jahrzehnt hinweg gut eingespielt funktionierende Kulturmechanismus innerhalb
eines Staates, der bereits seit Beginn der Entstehung dieser neuen
„Musikfolklorebewegung“ in seiner realen Praxis nur noch von Fall zu Fall zu
einem gewissen, immer widersprüchlicher geratenden Krisenmanagement, aber
überhaupt nicht mehr zu einer strategisch kulturvoll konzipierten Kulturpolitik
in der Lage war.
Aus der Sicht von
„Jack & Genossen“, von woher sowohl im Zusammenhang mit ganz bestimmten
Klarsichtigkeiten von Jack, als auch von den gruppenspezifischen
Auftrittserfahrungen dieser primär politisch orientierten und so eben auch
stets entsprechend herausfordernd agierenden Gruppe, konnten die
entsprechenden, dann quasi staatsoffiziell werdenden Folkländerlegenden und
auch die erstaunlichen Geschichten und dann entsprechend in diese Zusammenhänge
eingepassten Selbstdarstellungen von Jürgen Wolf, die dabei immer wieder in
den Medien zu vernehmen waren, letztlich nur lächerlich wirken. Um derartige
Darstellungen etwa doch für glaubwürdig halten zu können, müsste ich nicht nur
fast alles vergessen, an was ich mich dann als damaliger ZAG-Vorsitzender zu
erinnern habe, sondern eben auch meine ersten Begegnungen mit Jürgen Wolf und
der späteren Leipziger Folkszene aus meinem Gedächtnis streichen. Schon lange
bevor sich diese später so markante „Szene“ etablierte, hatte Jürgen Wolf
bereits Jack Mitchell kennen gelernt, sich mit diesem auch irgendwie
angefreundet und wollte dann auch Mitglied von „Jack und Genossen“ werden.
Meiner Erinnerung nach stand Jack dem auch keineswegs ablehnend gegenüber, und
also kam Jürgen extra deswegen von Leipzig nach Berlin, um – so wiederum Jacks
Bitte an mich – auch mit mir, darüber zu sprechen und in diesem Sinne auch ein
bisschen zu proben. Ich kann mich heute nicht mehr genau erinnern, wer wohl
damals in welcher Weise welche Entscheidung getroffen hatte, kann mich aber
deutlich erinnern, dass mich sein Gitarrenspiel, und dies wäre vor allem
wichtig für die Gruppe gewesen, abschreckte. Jedenfalls erfolgte die dann so
legendär gewordene „Entstehung der neueren Musikfolklorebewegung in Leipzig“
erst danach. Aber zum Zeitpunkt seines damaligen Berlinbesuches gab es nicht
nur bereits in Berlin, wo es von neueren Folkloreenthusiasten aus dem Umkreise
von Jack, aber auch außerhalb dessen, bereits nur so wimmelte, entsprechende
Tendenzen zu neuen Gruppenbildungen, sondern auch – was uns im Zusammenhang
mit unseren Auftrittsaktivitäten bereits „DDR-weit“, von Suhl bis Greifswald,
begegnet war, viele weitere solche Neofolkloreinteressenten bzw. auch bereits
bestimmte entsprechende Gruppenbildungen in anderen Städten der DDR. Und aus
meinen weitergehenden Erfahrungen als damals ebenfalls immer wieder in der
ganzen DDR herumgekommener Jazz- und Rockmusiker bestätigte sich mir dies
zusätzlich.
Ich denke nun aber,
dass es sich sicherlich ausgesprochen kompliziert und aufwändig gestalten
würde, falls man sich daran machen wollte, hier durch das Auftröseln von
nunmehr wohl kaum noch nachträglich ganz genau zu verifizierender Tatsächlichkeiten
ein klareres Bild über diese Seite der DDR-Geschichte gewinnen zu wollen,
welches – zumal es hier eben um politisch relevante Wahrheit und Wahrhaftigkeit
geht – sich eben nicht so flugs erarbeiten lässt, wie sich Lügen verbreiten
lassen.
Hier möchte ich mich
dazu nur thesenhaft, unter Berufung auf meine persönlichen Erfahrungen,
äußern, um in diesen Zusammenhängen auch wieder auf meine hier doch eigentlich
anstehende „DDR-Dudelsack-Problematik“ zurückzukommen.
Die Geschichte
dieser neueren DDR-Musikfolklorebewegung wird wohl kaum anhand der dazu
staatsgeleitet entstandenen Dokumente sachlich aufzuhellen sein, sondern man
wird sich hier nur, mittels eines sicherlich außerordentlich mühsamen, sehr
kritisch mit diesen Dokumenten und den von daher beeinflussten Mentalitäten
umgehenden Forschungs-Arbeitsaufwand, bestimmten Wahrheiten und dem Verständnis
realer Zusammenhängen annähern können. Dabei werden wir es mit ganz anderen
Schwierigkeiten als etwa hinsichtlich der Geschichte von DDR-Tanzmusikentwicklungen,
der DDR-Jazzgeschichte oder etwa der Geschichte von DDR-Rock und Pop- Musik,
oder auch der Singebewegung, zu tun haben, auch wenn alle diese doch länger
währten als die besagten Neofolklorebestrebungen. Das hängt sicherlich sowohl
damit zusammen, dass letztere sozusagen „erst im Zerfallsstadium der DDR“
prosperierten, als auch damit, dass dann einige Repräsentanten dieser Bewegung
(zumal im Zusammenhang mit bestimmten spezifischen Folk-Events), sich doch
gerade nach diesem Zerfall, als besonders erfolgreich und sieghaft empfinden,
entsprechend selbst darstellen und auch weitgehend selbst so erscheinen
konnten.
Und dies alles auch
wieder ganz anders als bei den soeben genannten Vergleichsproblemfeldern, wo
von der eigentlich doch inhaltlich verwandt sein sollenden Singebewegung viel
eher von einem Verschwinden ihrer DDR-Erscheinungsform die Rede sein kann, und
andererseits etwa in Hinsicht auf den „DDR-Jazz“, dem ja nun, gemessen an
seiner, doch immer von vielen, nie versagenden, enthusiastischen Initiativen,
aber eben auch spezifischen Schwierigkeiten, Verleumdungen und „Untergrabungen“
begleiteten Geschichte in der DDR, nun viel eher eine dann „sieghafte“
Daseinsweise zu gönnen gewesen wäre.
Soweit zu meiner
ersten hier vage umschriebenen ’These’.
Die zweite ist viel
banaler und auch noch vager, zumal sie auch ganz persönlicher Art, und insofern
auch schicksalsbedingt ganz verfehlt sein kann und zudem auch keine richtige
These, sondern eher die Formulierung der persönlichen Lebenserfahrung eines
sich stets als sehr engagiert, aber gottlob hoffentlich keineswegs durch
übermäßige Berühmtheit in seiner Selbstsicht zwangsläufig verzerrt und
überbedeutend empfindenden, musikantischen Charakters ist:
Innerhalb der Szene
von „normalen“ Tanz und Rockmusikern (und nur unter solchen „normalen“ konnte
ich da meine Erfahrungen sammeln) sind mir, als dort aktiver Musikant, weit
weniger unkollegiale Verlogenheiten, Ehrlosigkeiten, Hinterhältigkeiten und
perfide Intrigen begegnet, als in der späteren Musikfolkloreszene der DDR,
zumal die natürlich auch unter Tanz- und Rockmusikern zu findenden
faschistoiden Mentalitäten und Charaktere dort meiner Erfahrung nach niemals in
dieser subtil vernetzten, aber eben auch doch strikt faschistoiden Weise zur
Wirkung gekommen sind oder kommen konnten, wie dies eben dann in den letzten
Jahren der DDR innerhalb deren Musikfolkloreszene möglich wurde. Unter den
Jazz-Musikern konnten einem freilich – ganz unabhängig von deren jeweiliger
musikantischer Qualität – immer wieder besonders elitär-arrogante „Kollegen“
und auch ausgesprochene „Platzhirsch-Mentalitäten“, auch bis hin zu
ausgeprägten Intrigenstrukturen, begegnen, die aber wohl nie solche
machtinstitutionsorientierten bzw. machtambitionierten Strukturvernetzungen wie
unter den Neofolkloristen hervorbringen konnten. Meine ersten Erfahrungen mit
für mich damals schier unbegreiflich unkollegialen und völlig ehrlosen
Verhaltensweisen unter Musikanten stammen aus der Begegnung mit besonderen
Mentalitäten innerhalb der Singebewegung, insbesondere aus dem Umfeld des
Oktoberklubs. Verhaltensweisen, die ich, gemessen an meinem zuvorigen
Musikantendasein, zunächst einfach nicht für möglich gehalten hatte.
Meine entsprechend
späteren diesbezüglichen Erfahrungen unter den dann nachfolgenden
Neomusikfolkloristen der DDR, die sich als Musik-Szene eben zum Teil (wenn
freilich auch oft kontrovers) erst von daher abgeleitet, eigenständig
entwickeln konnten und dann auch die, erst durch die Singebewegung zuvor
langwierig hervorgebrachten, nun für sie bereits fix und fertig vorliegenden
Organisations- und Wirkungsstrukturen nur noch als leichte Beute zu
übernehmen brauchten, wurden dann allerdings auch gegenüber allem Vorherigen
wieder übertroffen.
Soweit meine These
zu diesen Teilen von DDR-Geschichtlichkeit, nebst meinen hier eher meine
persönlichen Befindlichkeiten akzentuierenden Erfahrungs-Anmerkungen.
Worauf es mir in
diesen Zusammenhängen aber speziell ankommt - da ich hier ja insbesondere über
„Hintergründe zu bestimmten Dudelsackpfeifen“ zu sprechen habe, kann in
diesen Zusammenhängen nun in vergleichender Weise deutlich gemacht werden.
Wenn ich bereits
vergleichend über bestimmte neofolkloristische Aktivitäten in Berlin und
Leipzig, aber auch der ganzen DDR, sowie über die entsprechend damit
zusammenhängenden institutionell abgesicherten Bedeutungs- und
Mächtigkeits-Unterschiede gesprochen habe, so kann nun, spezieller bezogen auf
die Aktivitäten und Initiativen zur Revitalisierung des Dudelsackspiels,
Folgendes deutlich gemacht werden. Zunächst kann man hier wieder die
Unterschiede von entsprechenden Initiativen in Leipzig und Berlin, sowie dann
auch DDR-weit bedenken und da muss sofort auffallen, dass, von der dabei zu
vergleichenden Anzahl entsprechender Initiativen her, auch hier entsprechende
deutliche Disproportionen zu vermerken sind, wobei sich in diesem Vergleichfall
nicht nur ein ebensolcher Unterschied herausstellt, sondern insbesondere sofort
deutlich wird, dass zwar in Berlin, ebenso wie in Hinsicht auf sonstige
musikfolkloristische Initiativen, auch in punkto Dudelsack, jede Menge davon
zu vermerken waren, in Leipzig hingegen so gut wie gar nichts zu finden ist.
Das erste DDR-weite Dudelsackinteressentetreffen hat zwar dort stattgefunden
(einfach weil mir dies in Berlin, eben wegen der dort weitaus schwierigeren
Bedingungen in Hinsicht auf bestimmte Kontrollinstitutionen nicht möglich
gewesen wäre), aber ich kann mich - dann auch hinsichtlich der weiteren
Entwicklung des Dudelsackselbstbaus in der DDR - nicht an entsprechend zu
vergleichende dortige Initiativen entsinnen. Freilich ist es auch möglich, dass
mir Entsprechendes damals entgangen, oder auch (etwa im Zusammenhang mit den
alsbald dabei entstehenden Konkurrenzverhaltensweisen) gezielt vorenthalten
worden ist (?), aber die hier zu vermerkenden Initiativ-Disproportionen sind
doch allzu deutlich. Und sie können noch deutlicher werden, sobald man dann
auch auf das ganze Land und die alsbald vielerorts in der DDR entstehenden
Dudelsackbauinitiativen schaut.
Doch zunächst noch
ein gründlicherer Blick auf Berlin, insbesondere auf den Prenzlauer Berg.
Aus heutiger Sicht
kann ganz klar resümiert werden, dass gerade dort nicht nur eine Reihe sehr
spannender amateurischer Dudelsackbauinitiativen entstanden sind, sondern dass
aus der dortigen, ganz unvergleichlich vielfältigen Neofolk-Szene eben auch
zwei, nun deutschlandweit profilierte, professionell tätige Dudelsackbauer, hervorgegangen
sind. Mit Blick auf Ostdeutschland kann man das zweifellos zu Bodo Schulz sagen
und ebenso trifft dies in anderer Richtung auch auf Andreas Rogge zu, welcher
sein zweifellos ebenfalls zunächst im Prenzlauer Berg erwachtes Interesse am
Dudelsackbau dann bis nach Irland, und als Berufstätigkeit wieder zurück nach
Westdeutschland weiter getragen hat. Und zur Besonderheit dieser Situation im
Prenzlauer Berg gehört eben auch, dass all dies ganz zweifellos im Zusammenhang
mit dem Wirken von Jack Mitchell und der Gruppe „Jack & Genossen“ sowie
auch „Windbeutel“ bedacht werden muss, auch wenn es manchem vielleicht damals
schon, aber verstärkt vielleicht wohl heute, unbehaglich sein mag, dass er es
dabei - sowohl bei Jack, als auch bei mir - eindeutig mit unverhohlen aktiv
agierenden Kommunisten zu tun hatte. Mit Blick auf die ganze DDR lässt sich
dann wohl auch sagen, dass anderenorts ein solcher, im Prenzlauer Berg eben
auch mittels entsprechender „Vor-Ort-Musikfolkoregruppen“ ausgeübter
„kommunistischer Einfluss“ wohl kaum (und zumal wohl überhaupt nicht in
Leipzig) so ausgeprägt vorzufinden gewesen wäre. Was nun weitere hier zu
bedenkende Dudelsackinitiativen betrifft, so werden die von mir hier zu
vermerkenden Disproportionen noch deutlicher, wenn man nun auch genauer auf
das ganze Land schaut, wo alsbald auch an anderen Orten weitere Initiativen zum
Selbstbau der verschiedenartigsten Dudelsackinstrumente entstanden sind, -
bloß eben gerade nicht in Leipzig. Und da tut sich eben auch die Frage auf,
warum es denn wohl in der DDR so etwas überaus musikfolkloristisch Ausgeprägtes
wie diese Dudelsackinitiativen und auch den Selbstbau von Dudelsäcken, im
ganzen Lande verteilt und in Berlin ausgeprägt konzentriert, gegeben hat, -
dies aber in der Musikfolklorehauptstadt Leipzig überhaupt nicht vorgekommen
ist. Sicher eine schwierig zu beantwortende Frage, die sich meiner Meinung nach
aber vielleicht aufhellen ließe, wenn man die jeweils in Berlin und Leipzig,
aber eben auch in anderen Bezirken der DDR, unter den Musikfolkloristen ganz
unterschiedlich ausgeprägten Abhängigkeitsanbindungen an die Behörden, in
Verbindung mit entsprechenden Motivationsstrukturen in Richtungen auf Medienpräsenz
und Berufsmusikantentum, mit bedenkt.
Mir fallen heute noch
- und ich muss natürlich dabei davon ausgehen, dass ich mich nun nicht mehr
sofort an wirklich alle damals betroffenen Orte entsinnen werde - solche Städte
und Orte wie Dresden, Magdeburg, Wittenberg, Senftenhütte, Bautzen, Arnstadt,
Markneukirchen, Neubrandenburg, Weimar, Zella-Mehlis usw. ein, wo es überall
solche Bemühungen der neueren Dudelsackselbstherstellung gegeben hat. Genauere
Unterlagen dazu hatte ich schließlich in den Jahren 1987/88 im Zusammenhang mit
der damals von mir bereits zuvor über mehrere Jahre hinweg vorbereiteten und
dann auch seitens der Kulturbehörden offiziell eingeplanten Ausstellung aller
in der DDR entstandenen Dudelsäcke, an das Zentralhaus in Leipzig sowie die
sorbischen Veranstalter in Bautzen eingereicht, wo diese Ausstellung dann auch,
unter sorgfältig intrigant vorbereiteter Vermeidung meiner Beteiligung und auch
ansonsten in durchaus schändlich unwissenschaftlicher Art und Weise,
stattgefunden hat. Meine späteren Fragen und Bitten zu diesen Unterlagen sowie
zu anderen entsprechenden Dokumentationen über dieses Treffen und diese
Exposition wurden dann dort aber immer wieder mit der Bemerkung, „…dass ich
kein Recht mehr dazu und nun doch auch damit nichts mehr zu tun hätte…“,
abgewiesen. Ebenso wurden dann auch im Kulturministerium dazu selbst schon die
kleinsten Nachfragen meinerseits, einfach nur wie ungehörige Frechheiten
behandelt und demonstrativ nicht beantwortet. Ich muss also auch heute Zweifel
darüber hegen, ob solche genaueren Unterlagen über entsprechende, eben auch
„nicht-sorbische Dudelsackaktivitäten“ entsprechend erhalten und zukünftig zugänglich
sein werden. Und wenn ich dann noch bedenke, dass nun die gegenwärtig üblichen
Darstellungen zur DDR-Musikfolklore-Geschichte, in denen sich eben doch immer
wieder die üblichen ’Leipzig-Legenden’ verfestigen und in der Regel dabei auch
ganz bestimmte andere Aspekte dieser Geschichte verzerrt oder auch einfach
ausgeblendet werden, so kann man wohl sicher sein, dass sich die Tendenz für
ein solches Verzerren und Ausblenden besonders bei denen finden lassen wird,
die bereits damals kein Verständnis, kein Interesse und auch keinen engagierten
Kontakt zu bestimmten derartigen Besonderheiten hatten, sich zudem aber nun
auch noch als sieghaft-erfolgreich und „nicht tot zu kriegende
Musikfolkloristen aus dem Osten“ darstellen und wohl auch so empfinden. Die dann
auf der Basis einer solchen, den Sieger natürlich gezwungenermaßen ebenfalls
uminterpretierenden „Siegermentalität“ erfolgenden Interpretationen der
Spezifik von DDR-Aktivitäten und bestimmten DDR-Entwicklungen, müssen dabei freilich
fragwürdig werden. Und entsprechende Tendenzen entwickeln sich dann auch bis
hin zum allertrivialsten Umlügen von einfachen Fakten. Die entsprechenden
Darstellungen des Journalisten Wolfgang Leyn geben dafür ein gutes Beispiel für
einen besonders schlechten Journalismus ab. Ein anderes erstaunliches Beispiel
völlig verzerrter und auch verlogener Darstellung ist aber auch der anlässlich
des Rudolstätter Festivals 2006 zum Thema Dudelsack veröffentlichte Artikel des
Dudelsackspielers Ralf Gehler aus Hagenow, in welchem dieser – hier ganz
offenbar nicht nur aus Unkenntnis oder Unverständnis –, sondern wohl eher im
Sinne einer bestimmten, nun wohl naheliegenden „political correctness“, und
offensichtlich aus einer dezidiert parteiischen Position heraus, ganz
bestimmte Verzerrungen und Ausblendungen vornimmt. Um dies hier nur kurz
deutlich zu machen: Wer, wie dort geschehen, so übergroßen Wert auf die
Hervorhebung der dudelsackerischen Mittelalteraktivitäten legt und dann dabei
nicht einmal den Namen Roman Streisand und seiner Gruppe „Spilwut“, die genau
in diese Zusammenhänge gehören, nennt, kann in dieser Weise niemals auch nur
annähernd objektiv über die Geschichte der Dudelsackaktivitäten in der DDR
berichten. Und dieser Mangel an Objektivität findet sich dann bei ihm (neben
vielen anderen Aspekten) auch, wenn er andererseits Namen, wie beispielsweise
Bodo Schulz und Jo Maier hervorhebt, die in seinem Text unter den Pionieren
dieser Entwicklung aufgeführt werden. Was Bodo Schulz betrifft, so ist wohl
eher zutreffend, dass dieser keinesfalls bereits von Beginn dieser
DDR-Entwicklung an, sondern eben erst viel später, und letztlich eigentlich erst
gegen Ende der DDR, auf den dann leichter zu besteigenden Zug des
„berufsmäßigen Dudelsackbauers“ aufgesprungen ist und sein Name insofern als
einer der nunmehr „Professionellen“ zu nennen ist, wohingegen es in Hinsicht
auf Jo Maier doch seltsam anmuten muss, dass er sich in diesem Text (für dessen
Zustandekommen doch offensichtlich – keiner, der die näheren Verhältnisse und
auch Jo Maier darin, näher kennt, wird mir hier einfach widersprechen können –
ein Hagenower dem anderen die Stichworte und wohl auch manche Formulierung,
geliefert hat) hier in dieser Weise platzieren lässt. Diese Darstellung
entspricht zwar nicht der realen damaligen Entwicklung, gehört aber nun doch zu
den Realitäten der jetzigen, und ist insofern nicht einfach nur ein „falsches“
Beispiel im Sinne hier erfolgter bewusster Fehldarstellungen zu vormaligen
Tatsächlichkeiten, sondern eben auch ein typisches und nun auch durchaus
„richtig zutreffendes“ Beispiel für die inzwischen so selbstbewusst
zelebrierten Selbstverständlichkeiten tatsächlicher Legendenbildung, die eben
nun, ebenso wie in Hinsicht auf dass, was inzwischen ansonsten so über die
Geschichte der DDR Musikfolklorebewegung berichtet wird, in deutlicher Weise
zu dieser Geschichte selbst, wenn auch keineswegs immer zum „wahren Wissen“
über diese, gehören. Und ich muss dabei auch zugeben, dass ich dann also auch
zuweilen gefragt wurde, ob ich das Dudelsackspiel denn nicht eigentlich von Jo
Maier gelernt hätte...
Natürlich wird der
Weg zu wahrem Wissen über diese Kulturentwicklungen in der DDR und die dabei zu
berücksichtigenden macht- und kulturpolitischen Hintergründe, nur mit Hilfe von
Wissenschaft zu beschreiten und zu bewältigen sein, und ich denke dabei als
Wissenschaftler, dass sich eine bessere Qualität entsprechender Bewältigungen
eben nicht einfach durch eine später vielleicht einmal zu erhoffende „bessere
Ab- und Ausgewogenheit“ des Ernstnehmens von dann dazu vorliegenden
verschiedenartigsten „Erinnerungsanmerkungen“. (zu denen dann vielleicht auch
die meinigen hier zu zählen wären) ergeben wird, sondern diese auch von jeweils
ganz anderen methodologischen Voraussetzungen und entsprechend zu überwindenden
methodologischen Schwierigkeiten bestimmt sein wird. Und eine besondere
“Wissenschafts-Schwierigkeit“ wird dabei dann auch darin bestehen, jeweils das
unmittelbare Einwirken solcher „Musikwissenschaftsvertreter“ wie E.Stockmann
oder auch H.Bode usw. innerhalb dieser Bewegungen methodologisch zu bewältigen
und deren Statements nicht einfach als Wissenschaftsbeiträge zu verarbeiten.
Und – wie bereits
angemerkt – sehe ich dabei ganz ähnliche Schwierigkeiten (zumal in puncto
Dudelsack) auch in Hinsicht auf das zuweilen fatale Wirken bestimmter
sorbischer Kulturinstitutionen in der DDR.
(19)
Bei dieser Schalmei
in Bb/Eb hatte ich insbesondere an das damit mögliche Zusammenspiel mit dem
„Grossen Bock“ in Eb gedacht: Dieses kleine, aber stets durchdringende
Instrument konnte in unserer Gruppe jedoch auch im Zusammenhang mit vielen
anderen dort genutzten, traditionell für Bb-Tonarten besonders geeigneten
Blasinstrumenten wie Klarinette, Saxophon, Trompete, Horn und Tuba, sowie
bestimmten, ebenfalls traditionell in Bb-Tonarten gestimmten
Harmonika-Instrumenten, wie das schweizer ’Örgli’, die
tschechische‚’Helikonka’, die russische ’Saratowka’, usw. gut eingesetzt
werden. Denn die Gruppe Windbeutel unterschied sich (neben ihrer inhaltlich
internationalistischen, folkloristisch-politischen Konzeption) nicht nur in
Hinsicht auf eine stets angestrebte besondere instrumentelle Vielfalt, bei der
bewusst bestimmte moderne Instrumente mit ganz anders tradierten,
selbstgebauten „alten“ verbunden werden konnten, sondern auch hinsichtlich der
dabei notwendigerweise zu nutzenden Tonarten, vom ansonsten in der
DDR-Folk-Szene „Üblichen“.
(20)
Jörg Zapfe, der zuvor
schon verschiedene Volksinstrumente, wie Brummtöpfe und vorzügliche
Maultrommeln hergestellt hatte, beschäftigte sich dann auch mit der Herstellung
von Dudelsäcken.
(21)
Siehe dazu auch:
„Ausgewählte Thesen und Anmerkungen zur ’Vergleichsanalytischen
Musikinstrumentenforschung’(VAO)“
(22)
siehe dazu auch: “Systematik und Physik der Musikinstrumente“ sowie
Eichler, Bernd H. J., Das Hümmelchen – ein altdeutscher Dudelsack, Leipzig 1990
(23)
Neben der hier
beschriebenen Besonderheit einer entsprechenden Doppelfunktion meiner
Windkapseln, welche sowohl für mundbeblasenes Spiel an Schalmeien, als auch als
Mundrohr für das Spiel am Dudelsack genutzt werden können, indem dafür
jeweils ein spezieller, maßgenauer und feuchtigkeitsunempfindlicher
„Klappenventileinsatz“ aus Kunststoff entwickelt wurde, möchte ich hier noch
auf einige weitere Besonderheiten bei meinen Instrumenten hinweisen. In meinem
Vortrag zum Strakonice-Dudelsackfestival 1989 hatte ich sowohl die
Besonderheiten meines gefederten Blasebalges, als auch die Möglichkeit des
Überblasens zylindrischer Dudelsackpfeifen vorgestellt.
Zu entsprechenden
blasebalg-betriebenen Instrumenten habe ich dann später noch eine besondere
Luft-Zuleitung für die von dort in den Sack einströmende Luft entwickelt, bei
der wiederum auch die aus dem Sack zurückströmende Luft für die Bordunpfeifen
innerhalb der gleichen Sackbuchse vonstatten geht und auf diese Weise bei
derartigen Dudelsäcken jeweils auch nur eine einzige „Loch-Einschneidung“ ins
Sackmaterial erforderlich ist. Mit einem wieder anderen, ebenfalls für
Blasebalgbetrieb eingerichteten Dudelsack, ist es mir zudem möglich, den
Bordunton während des Spiels auf der Melodiepfeife sowohl völlig aus, als auch
wechselweise auf zwei verschiedene Töne, im Abstand einer Quarte, jeweils um
zu schalten. Zudem sind auch meine Melodiepfeifen – insbesondere die
zylindrischen – so konzipiert, dass damit auch das Abstoppen der Melodietöne
bzw. entsprechende Stakkato-Spielweisen möglich sind.
Außerdem tragen alle
meine Dudelsäcke im Sackhals ein maßgenau ’genormtes’ metallenes
Rohrwinkelstück, welches sich jederzeit schnell aus dem Sack entnehmen, mit der
Melodiepfeife blattgeschützt ablegen und wechselweise mit wieder anderen,
ebenfalls maßgenau auswechselbaren Melodiepfeifen, wieder einstecken lässt.
Dies alles ist auch
mit solchen Melodiepfeifen möglich, die dann - auch im Sinne einer wieder
anderen Innovation – mit einer jeweils im Kopfbereich zusätzlich anzubringenden
„Feinstimm-Einrichtung“ versehen sind, mit welcher das Instrument (im
Extremfalle auch während des Melodiespiels) ein- und nach-gestimmt werden
kann, ohne dass die Spielpfeife dabei jeweils aus der Windkapsel oder der
Aufnahmebuchse im Dudelsack herausgenommen werden muss.
Speziell für
mundgeblasene Sackpfeifen wurde von mir zudem auch eine entsprechend wiederum
buchsengenau genormte Doppelbordunaufnahme aus Metall entwickelt, die leicht
aus der dazu wiederum aus feuchtigkeitsunempfindlichem Kunststoff bestehenden,
im Sack eingebundenen Bordunfassung herausgenommen werden kann, um so auch
jeweils wieder die dortigen empfindlichen Tongeneratoren zu schützen, wenn die
Bordunpfeifen zum Trocknen oder zum Transport, aus der entsprechenden Sackbuchse
herausgenommen werden müssen.
Außerdem tragen
solche Bordunfpfeifen dann auch jeweils zusätzlich am Bordunende einzubringende
und leicht zu bedienende „Stopper“, mit denen sich die Bordune jeweils
„abschalten“ bzw. entsprechend umschalten lassen. Zu all diesen Besonderheiten
der Dudelsack-Instrumente meiner Sammlung ist, im Zusammenhang mit deren
Übergabe nach Saarbrücken, auch eine entsprechend erklärende
Video-Dokumentation mit übergeben worden.
(24)
Siehe dazu: „Vortrag zur Eröffnung der Musikinstrumentenausstellung an der Hochschule für Musik
/Saar sowie: „Zur Position der so genannten ’durchschlagenden Zunge’ im natürlichen System der Musikinstrumente“ sowie: Über mögliche Konsequenzen zur Systematisierung von Musikinstrumenten angesichts eines inkonsequent gebrauchten Begriffs der „Systematik der
Musikinstrumente“
(25)
Die Tatsache, dass sich
diese, für ein solches Instrument zweifellos verwirrend verfehlte Bezeichnung, aus
den Texten von M. Prätorius entnehmen lässt, welcher wiederum zweifellos als
musikwissenschaftliche Autorität gelten kann, muss nun aber keineswegs
bedeuten, dass diese seine Fehlbezeichnung nun auf ewig in dieser Weise
weiterzubenutzen sei. Es kann auch immer noch die Möglichkeit der sachlichen
Korrektur einer solchen Fehlleistung einer hoch angesehenen Autorität genutzt
werden.
(26)
Siehe dazu auch:
Eichler, Bernd H. J.,
Das Hümmelchen – ein altdeutscher Dudelsack, Leipzig 1990, sowie: Einige Bemerkungen zur Dudelsackentwicklung in der DDR und zu erweiterten
Möglichkeiten eines Hümmelchen-Instrumentes
(27)
Wenn ich entsprechend
alternativ zu bedenkende Verhaltensweisen des „Umgehens von“ oder des „Umgehens
mit“ Fortschrittsmöglichkeiten nun wiederum mit Sicht auf die
kulturpolitischen Bedingungen in der DDR und die darin eingebetteten
„Neofolkinitiativen“ bedenke, so meine ich, dass sich damals sowohl die dafür
eigentlich unmittelbarer zuständigen Wissenschaftsbereiche, als auch bestimmte
besondere Bereiche der DDR-Neofolklorebwegung, welche damals auch in deutlich
herausgehobener Weise seitens bestimmter DDR-Institutionen gefördert und als
beispielhaft hervorgehoben wurden und sich dabei oft auch in geradezu
dressierter Weise „selbstvorteilsorientiert“ verhalten haben, eben keineswegs
auf dieser Seite des Umgangs mit vorhandenen Möglichkeiten engagierten. Und
gerade so konnten diese dann auch, im Zusammenhang mit den nach 1989 politisch
neu strukturierten „Musikfolklore-Entscheidungen“ (beispielsweise auch zu
Rudolstadt) als „sieghaft“ aus all diesen, oft auch turbulenten und letztlich
doch auch schwer zu überschauenden politischen Entwicklungen hervorgehen.
Aus der Position der
nun neuen, aber letztlich westdeutsch-altkapitalistisch alt-bewährten,
politischen Administration kann es letztlich als eine überaus ’kluge’
politische Entscheidung gewertet werden, eine solche, dann freilich auch geradezu
nahe liegend gewordene Integration einiger ostdeutscher
Musikfolklorebestrebungen nun in diese Form einer perspektivisch zunehmend zu
kommerzialisierenden, und insofern auch notwendigerweise multikulturell zu
drapierenden, festen Einrichtung der Fortführung des ’Showbusiness mit
folkloristischen Mitteln’, zunächst in deren Hände zu legen und, langfristig
bedacht, auch in deren Territorium anzusiedeln. Dies meine ich, auch ohne dabei
unbedingt unterstellen zu wollen, dass eine demgemäß politisch gewiefte
Klugheit auch damals tatsächlich bereits in den Köpfen entsprechend
verantwortlicher Entscheidungsträger voll ausgereift existiert haben muss.
(28)
Heino Hermühlen ist
im Sommer des Jahres 2009 bei einem überaus tragischen Unfall ums Leben
gekommen.
Den hier vorliegenden,
von mir bereits zuvor verfassten (inzwischen allerdings auch geringfügig
veränderten und damals auch noch nicht mit all den jetzigen Fußnoten
ausgestatteten) Text, hatte er (insbesondere dabei die zur Auslage im dortigen
„Hofladen der Schäferei“ vorgesehenen „Speziellen Anmerkungen“ zu meinen Dudelsackpfeifen)
bereits Anfang 2009 zur Kenntnis genommen und auch zuvor schon damit begonnen,
dort immer wieder bestimmte, von mir hergestellte Volksmusikinstrumente
auszustellen und auch gelegentlich - im Falle ernsthafterer Interessiertheit
seitens bestimmter Hofladenkunden - zu verkaufen.
Sein Interesse an
einem solchen „Dudelsack-Zusammenwirken“ mit mir ergab sich, wie ich meine,
sowohl aus unserer langjährigen, noch aus DDR-Zeiten rührenden Bekanntschaft
(damals hatte er beispielsweise bereits an einem von mir durchgeführten
„Selbstbau-Lehrgang“ zur Herstellung einer traditionellen „Scheitholz-Zither“
teilgenommen), als auch aus seinen ständigen Aktivitäten zu öffentlichen
Führungen in seinem Schäfereibetrieb, die er natürlich stets mit seinem
Dudelsackspiel verband.
Es gibt für mich
dabei aber noch einen anderen, nun auch weit über seinen tragischen Tod
hinausreichenden, immer wieder unmittelbar meine Seele und meine Erinnerung an
ihn berührenden Zusammenhang zu den „Dudelsackpfeifen aus meiner Werkstatt“,
den ich nicht unerwähnt lassen kann.
Heino hatte schon
lange meine Aktivitäten zur Selbstherstellung deutscher Dudelsäcke, sowohl
anlässlich bestimmter ’Windbeutelauftritte’ in Verbindung mit öffentlichen
„Dudelsack-Drechsel-Vorführungen“ als auch dann in meiner Werkstatt, mit
Interesse verfolgt, wobei ihm natürlich deutlich wurde, welche Bedeutung bei
mir dabei das „Wachs-Imprägnieren“ aller zu drechselnder Hölzer hat. Ein
Verfahren, welches ich in der Blockflötenproduktion in Markneukirchen kennen
gelernt hatte und das nun auch bei mir einen ständigen Bedarf an Kerzenwachs
nach sich zog.
Da Heino nun schon zu
DDR-Zeiten (durchaus anders als etwa ich) sehr aktiv in einer alternativen, christlich
orientierten Friedensbewegung engagiert war, wurde er bereits damals, aber umso
mehr dann gegen Ende des Jahres 1989, mit den zunächst von solchen, aber dann
wohl auch von allen anderen nach Veränderungen in der DDR strebenden Bewegungen
als aktives Symbol benutzten Kerzen und dann zwangsläufiger Weise auch mit
deren dann hinterlassenen „Stummel-Resten“, immer wieder konfrontiert. Auch ich
hatte am 4.11.1989, zusammen mit meinem älteren Sohn, auf der großen
Demonstration in Berlin solche Kerzen in der Hand gehabt, deren Stummeln mein
Sohn dann, neben vielen anderen, am Straßenrand abgesetzt hat.
Im Jahre 1990
überraschte mich nun eines Tages Heino mit einer erstaunlichen Menge von
kuchenbackformgroßen Kerzenwachsquadern, die er alle, im Sinne des
Imprägnierens von Dudelsackhölzern, aus den verbliebenen Stummeln unzähliger
Kerzen-Demonstrationen zusammengeschmolzen hatte. Von diesem Wachs habe ich
auch heute noch einen, mir nun auch in besonderer Weise bedeutungsvollen
Vorrat. Denn zurückschauend ist es völlig klar, dass sich in allen nach diesem
Zeitpunkt von mir hergestellten Dudelsackpfeifen nun auch solches Wachs
befindet. Und ich weiss dabei natürlich auch, dass sich dieses zuvor, in Form
von Kerzenstummeln, sowohl in den Händen vieler meiner Feinde, als auch vieler
meiner Freunde befunden haben mag.
In der mir dann aber
übergebenen, nun aus Beidem zusammengeschmolzenen Form, habe ich es aus den
Händen eines mir sehr wichtigen Freundes erhalten, an den dabei immer wieder zu
denken ist und auch gedacht werden sollte. Insofern kann wohl in allen diesen
nun hier vorgestellten Instrumenten nicht nur mit Sicherheit ein kleines
bisschen stoffliche Substanz von Heino, im Sinne der werterhaltenden
Qualitätssicherung solcher Musikinstrumente festgestellt werden, sondern es
kann eben auch jeweils ein Hauch der festen geistigen Substanz und der von
daher rührenden Werte, die in seinem Leben und seinen Aktivitäten wesentlich
waren, festgestellt und dann vielleicht auch weiter festgehalten werden. In
diesem Sinne habe ich nun, nach seinem Tode, den noch von ihm (damals noch ohne
Fußnoten) gelesenen Text hier (abgesehen von kleineren Korrekturen und
Einfügungen) unverändert gelassen, wobei mir das mit diesem Text von Anfang an
verbundene Vorhaben, alle diese Dudelsackpfeifen auch in seinem Hofladen
’allgemein öffentlich’ zugänglich zu machen, auch als eine mögliche Form immer
wiederkehrender Erinnerung an diese außergewöhnliche Persönlichkeit erscheint
und ich dies also, auch aus den Hintergründen der hier formulierten
„Hintergrund-Anmerkungen“, gebührend deutlich machen möchte.
*
Anhang